Früherkennung für Abwasserreinigungsanlagen

2. Juli 2025

Forschende des Ökotoxzentrums, der Eawag und der Fachhochschule Nordwestschweiz haben eine innovative Kombination aus biologischem und chemischem Onlinemonitoring als Frühwarnsystem auf einer kommunalen Abwasserreinigungsanlage getestet. Dieses System ist in der Lage, Spitzenbelastungen durch Mikroverunreinigungen im gereinigten Abwasser zu erfassen und toxische Schadstoffe in Echtzeit zu erkennen. Dadurch kann es wesentlich zur Verbesserung des Abwassermanagements beitragen.

Die Qualität von Oberflächengewässern steht unter zunehmendem Druck, da immer mehr Chemikalien verwendet werden, die auf verschiedenen Wegen in Gewässer gelangen. Die Abwasserreinigungsanlagen (ARA) spielen daher eine entscheidende Rolle, da sie den Großteil des Abwassers vor der Einleitung in die Gewässer aufbereiten. Durch den Ausbau vieler ARA mit zusätzlichen Reinigungsstufen konnte die Entfernung von Mikroverunreinigungen deutlich verbessert werden. Dennoch ist es unerlässlich, die Qualität des Abwassers kontinuierlich zu überwachen, um Störfälle frühzeitig zu erkennen und schnell reagieren zu können.

Traditionelle Überwachungsmethoden, bei denen Stich- oder Sammelproben entnommen werden, stoßen an ihre Grenzen, wenn es darum geht, kurzfristige Konzentrationsspitzen zu erfassen oder zeitnah auf potenziell kritische Substanzen zu reagieren. Besonders bei industriellen Einleitungen kann sich die Zusammensetzung des Abwassers sehr kurzfristig ändern, was eine schnelle Reaktion erschwert. Zudem können extreme Regenfälle und Temperaturschwankungen die Reinigungsleistung beeinflussen, wodurch die Qualität des gereinigten Abwassers gefährdet wird.

Eine vielversprechende Lösung stellen biologische Frühwarnsysteme dar, auch bekannt als Online-Biomonitoring. Diese Systeme verwenden Wasserorganismen, um die biologische Wirkung von Substanzen im Abwasser kontinuierlich und in Echtzeit zu überwachen. Wird diese Methode mit einer kontinuierlichen chemischen Analyse kombiniert, ermöglicht sie eine ganzheitliche Bewertung der Wasserqualität sowie der potenziellen toxischen Effekte von Mikroverunreinigungen.

Batterie aus biologischen Frühwarnsystemen

In biologischen Frühwarnsystemen reagieren Testorganismen auf Belastungen im untersuchten Wasser, indem sie messbare Veränderungen in bestimmten Stoffwechselprozessen oder Verhaltensweisen zeigen. Überschreiten diese Veränderungen, die laufend überwacht werden, einen festgelegten Schwellenwert, wird automatisch ein Alarm ausgelöst. Für die Sensorik kommen verschiedene Organismen zum Einsatz, darunter Bakterien, Algen, Kleinkrebse oder Fische. Als Messparameter eignen sich beispielsweise die Photosyntheseaktivität von Algen oder das Schwimmverhalten sowie die Atmung von Krebstieren und Fischen, da diese durch Schadstoffe beeinflusst werden können. Da jedoch alle Organismen unterschiedlich auf Mikroverunreinigungen reagieren, gibt es keinen einzelnen Testorganismus, der alle Schadstoffe zuverlässig erkennen kann.

Abwasser

Daher ist eine Kombination verschiedener Systeme ideal. Das Team um Ali Kizgin, das dieses Thema in seiner Doktorarbeit am Ökotoxzentrum zusammen mit Forschenden des Wasserforschungsinstituts Eawag und der Fachhochschule Nordwestschweiz untersucht hat, wählte drei Testsysteme aus: Zum einen eine einzellige Grünalge, bei der die Photosyntheseaktivität durch kontinuierliche Messung der Fluoreszenz beobachtet wird. Zum anderen zwei Süßwasserkrebse – Wasserflöhe und Bachflohkrebse –, bei denen das Schwimmverhalten und die Aktivität mithilfe von Kameras und Bewegungssensoren überwacht werden.

Kombination mit chemischer Online-Analytik

„Wenn man die Biomonitore mit einer hochauflösenden chemischen Analytik kombiniert, so wird es möglich, biologische Alarme zu bestätigen und herauszufinden, welche Substanz für die gemessene Reaktion verantwortlich war“, erklärt Ali Kizgin. „Wir waren in einer idealen Situation, da die Eawag gerade das MS2field entwickelt hatte – eine der ersten mobilen Messplattformen, die es erlaubt, Mikroverunreinigungen in umweltrelevanten Konzentrationen im Feld kontinuierlich und zeitlich hochaufgelöst zu messen.“

Allerdings gestaltet sich die Verknüpfung von Verhaltensreaktionen der Organismen mit dem Auftreten chemischer Stoffe als schwierig, da auch andere Umweltfaktoren zu Fehlalarmen führen können. Aus diesem Grund wurden parallel dazu verschiedene physikalisch-chemische Parameter im Abwasser überwacht. Die Kombination aus biologischen und chemischen Frühwarnsystemen wurde über einen Zeitraum von fünf Wochen auf einer kommunalen Kläranlage im Kanton St. Gallen einem Härtetest unterzogen, um ihre Wirksamkeit und Zuverlässigkeit zu prüfen.

Toxische Ereignisse werden überprüft

„Im Versuchsverlauf haben uns die biologischen Frühwarnsysteme tatsächlich mehrmals einen Alarm angegeben“, berichtet Ali Kizgin. Die Systeme mit den Wasserflöhen und den Bachflohkrebsen reagierten dabei empfindlicher als das System mit Grünalgen. „Wenn ein Alarm ausgelöst wurde, haben wir beurteilt, ob die nachgewiesenen Mikroverunreinigungen in Konzentrationen vorlagen, die hoch genug waren, um toxisch zu wirken“, sagt Kizgin. „War dies der Fall, haben wir zusätzliche Experimente im Labor durchgeführt, um zu überprüfen, ob eine bestimmte Chemikalie für die biologische Reaktion verantwortlich war“.

Im System mit den Bachflohkrebsen wurden während der Versuchsdauer zwei signifikante Alarme ausgelöst. Beim ersten Alarm zeigten die Tiere nach einem starken Regen eine deutlich erhöhte Aktivität im Vergleich zu vorher, obwohl das chemische Monitoring keine relevanten toxischen Substanzen nachweisen konnte. Wahrscheinlich beeinflusste die durch das Regenereignis um zwei Grad gesunkene Wassertemperatur das Verhalten der Flohkrebse.

Beim zweiten Alarm gelang es mithilfe des MS2field-Systems, das Insektizid Carbofuran nachzuweisen – ein in der Schweiz verbotenes Pestizid, das auf wirbellose Wassertiere toxisch wirkt. Weitere Laborversuche bestätigten, dass Carbofuran mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ursache für den beobachteten Alarm war.

Ein wertvoller Ansatz für das Abwassermanagement

Die Studie zeigte, dass die Kombination von biologischem Onlinemonitoring mit hochauflösender chemischer Überwachung ein wertvoller Ansatz ist, um in Kläranlagen Spitzenbelastungen durch Mikroverunreinigungen in Echtzeit zu erkennen. „Nachdem wir die Methode erfolgreich im kommunalen Abwasser getestet haben, ist sie nun bereit für den Einsatz auf einer industriellen Abwasserreinigungsanlage“, sagt Ali Kizgin. „Damit lassen sich auch Schadstoffe identifizieren, die in komplexen Industrieabwässern vorkommen und mit Standardüberwachungsmethoden nicht erfasst werden können.“

Video: Echtzeit Biomonitoring für Kläranlagen (youtube)

Quelle

Eawag (06/2025)

Publikation

Kizgin, A.; Schmidt, D.; Bosshard, J.; Singer, H.; Hollender, J.; Morgenroth, E.; Kienle, C.; Langer, M. (2024) Integrating biological early warning systems with high-resolution online chemical monitoring in wastewater treatment plants, Environmental Science and Technology, 58(52), 23148-23159, doi:10.1021/acs.est.4c07316, Institutional Repository

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