Folgen einer abnormalen Chromosomenzahl weiter entschlüsselt

30. Juni 2025

Es ist bereits seit Längerem bekannt, dass eine abnormale Chromosomenzahl ein Proteinungleichgewicht in den betroffenen Zellen verursacht. Forschende der RPTU haben nun detailliert untersucht, wie sich dieses Ungleichgewicht auswirkt. Dabei entdeckten sie überraschenderweise, dass Proteomveränderungen die Funktion der Mitochondrien beeinträchtigen. Diese Erkenntnis könnte künftig für die medikamentöse Behandlung von Krebserkrankungen von Bedeutung sein.

Jede gesunde menschliche Zelle besitzt 23 Chromosomenpaare. Während der Zellteilung werden diese Chromosomen dupliziert und präzise auf die beiden entstehenden Tochterzellen aufgeteilt. Wenn dieser Prozess fehlerhaft abläuft, erhält eine Tochterzelle ein zusätzliches Chromosom, während der anderen eines fehlt. Dieser Zustand, bei dem die Chromosomenzahl unausgewogen ist, wird als Aneuploidie bezeichnet. Er tritt besonders häufig in Krebszellen und bei Menschen mit Down-Syndrom auf. „Schon ein einziges zusätzliches Chromosom führt zu vielen Problemen für die Zelle. Darunter fällt die Produktion unnötiger Proteine aus den zusätzlichen Chromosomen, die den Mechanismus der Zelle zur Aufrechterhaltung eines gesunden Proteingleichgewichts stören. Wie sich all dies jedoch auf molekularer Ebene manifestiert, ist noch nicht klar“, erklärt Professorin Zuzana Storchová vom Fachgebiet Molekulare Genetik der RPTU.

Neue Einblicke in Chromosomen-Fehlverteilungen

In einer aktuellen Studie haben Forschende unter der Leitung von Zuzana Storchová, Leiterin des Fachgebiets Molekulare Genetik an der RPTU, und Prince Saforo Amponsah die komplexen Prozesse, die mit einer fehlerhaften Chromosomenverteilung einhergehen, detaillierter entschlüsselt. Für ihre Untersuchungen stellten die Wissenschaftler im Labor Zelllinien aus der nahezu diploiden Darmkrebszelllinie HCT116 her, die jeweils eine oder zwei zusätzliche Chromosomenkopien enthielten.

Die Forschenden konnten nachweisen, dass Zellen mit zusätzlichen Chromosomen membranlose Strukturen, die sogenannten Proteinaggregate, in ihrem Zytoplasma anreichern. Diese Proteinaggregate bestehen hauptsächlich aus dem Protein Sequestrosom 1 (SQSTM1), auch bekannt als p62. Dieses Protein ist ein bereits bekannter Rezeptor, der eine wichtige Rolle bei der Verwertung defekter Proteine und beschädigter Zellorganellen spielt. „Wir haben beobachtet, dass die Konzentration dieses Proteins in Zellen mit zusätzlichen Chromosomen höher war und dass die Menge mit der Größe des zusätzlichen Chromosoms zunahm“, sagt Prince Saforo Amponsah.

Chromosom

Mitochondriale Störung durch Chromosomen-Fehlverteilung: Neue Einblicke in Krankheitsmechanismen

Weiterhin fanden die Forschenden heraus, dass Zellen mit zusätzlichen Chromosomen eine veränderte mitochondriale Struktur und Funktion aufweisen. Der Grund dafür: Mitochondriale Vorläuferproteine werden in p62-positiven Aggregaten sequestriert, also gewissermaßen „beschlagnahmt“, was wiederum ihren Transport in die Mitochondrien beeinträchtigt. „Da zusätzliche Chromosomen bei Krebs, Trisomie-Syndromen und verschiedenen anderen pathologischen Zuständen wie dem Altern häufig vorkommen, stellen unsere Zelllinien ein physiologisch relevantes Modellsystem für die Untersuchung der Auswirkungen von Proteom-Ungleichgewichten in menschlichen Zellen dar“, beschreibt Zuzana Storchová die Besonderheiten ihrer Forschung. „Unsere Forschung zeigt einen bisher unbekannten Zusammenhang zwischen genomischen Anomalien, proteotoxischem Stress und mitochondrialer Homöostase.“

Fazit

Obwohl Krebszellen durch Chromosomenanomalien und ein damit verbundenes Proteom-Ungleichgewicht gekennzeichnet sind, können sie interessanterweise einen proteotoxischen Stress tolerieren, der für normale Zellen oft schädlich ist. Prince Saforo Amponsah erklärt dazu: „Unsere Ergebnisse deuten nun darauf hin, dass Krebszellen dafür möglicherweise ihren mitochondrialen Stoffwechsel ändern.“ Diese Eigenschaft könnte zudem zu einer erhöhten Arzneimittelresistenz bei aneuploiden Krebsarten beitragen. Prince Saforo Amponsah: „Langfristig hoffen wir, dass unsere Forschung mehr Licht in diesen Aspekt bringt und zu neuen therapeutischen Strategien zur Verbesserung der Gesundheit von Krebspatienten beiträgt.“

Quelle

Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau (06/2025)

Publikation

Amponsah, P.S., Bökenkamp, JE., Kurpa, O. et al. Aneuploidy-induced proteostasis disruption impairs mitochondrial functions and mediates aggregation of mitochondrial precursor proteins through SQSTM1/p62. Nat Commun 16, 5328 (2025).
https://doi.org/10.1038/s41467-025-60857-4
https://www.nature.com/articles/s41467-025-60857-4

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