Bei modernen Immuntherapien, die manipulierte Immunzellen zur Bekämpfung von beispielsweise Tumoren in den Körper einbringen, hat eine Forschungsgruppe der Technischen Universität München (TUM) einen neuen Ansatz entwickelt. Dieser ermöglicht es, die eingebrachten Zellen im Körper zu verfolgen. Das Verfahren soll dazu beitragen, die Abläufe bei Zelltherapien besser zu verstehen und könnte somit zukünftige Behandlungen sicherer machen.
Wenn klassische Behandlungsansätze bei Krankheiten wie Krebs versagen, stellen maßgeschneiderte Zelltherapien zunehmend eine Option dar. Ein prominentes Beispiel sind CAR-T-Zell-Therapien. Hierbei werden Immunzellen von Patient:innen entnommen und im Labor so modifiziert, dass sie einen spezifischen Rezeptor tragen. Dieser Rezeptor erkennt Strukturen, die ausschließlich auf der Oberfläche von Krebszellen vorkommen. Nach der Reinfusion vermehren sich diese Immunzellen im Körper und lösen eine Immunreaktion gegen die Krebszellen aus.
Für behandelnde Ärzt:innen wäre es von großem Interesse zu erfahren, wie sich die modifizierten Immunzellen im Körper genau verhalten: Gelangen sie an den gewünschten Wirkort? Vermehren sie sich in ausreichendem Maße? Oder verhalten sie sich unerwartet und greifen im schlimmsten Fall gesunde Organe an? Zur Beantwortung dieser entscheidenden Fragen gibt es derzeit jedoch keine klinisch einsetzbaren Verfahren.
Künstlicher Rezeptor und maßgeschneiderter Marker
Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) und des TUM Klinikums hat nun eine Lösung gefunden, um die Bewegungen von manipulierten Immunzellen im Körper zu verfolgen. Vereinfacht ausgedrückt, wird in die modifizierten Immunzellen ein zweiter künstlicher Rezeptor eingebaut. Diese Zellen können dann mithilfe von PET-Bildgebung und einem speziell entwickelten, ungefährlichen radioaktiven „Kontrastmittel“ sichtbar gemacht werden. Wird dieser sogenannte Radioligand in den Körper gespritzt, bindet er ausschließlich an die manipulierten Zellen und deren Nachkommen, wodurch sie sichtbar werden.
Die Grundlage dieses Verfahrens bilden künstliche Proteine mit zielgerichteten Bindeeigenschaften, bekannt als Anticaline. Diese werden seit den 1990er Jahren von Arne Skerra, Professor für Biologische Chemie an der TUM und Pionier im Bereich des Protein-Designs, entwickelt. Aus dieser Arbeit ging ein Anticalin hervor, das den Liganden DTPA bindet und nun als Teil eines Zelloberflächenrezeptors genutzt wird. Ein Team um Wolfgang Weber, Professor für Nuklearmedizin am TUM Klinikum, hat darauf aufbauend ein künstliches Gen in Zellen eingebaut. Dieses Gen bewirkt, dass die Zellen an ihrer Oberfläche den Anticalin-Rezeptor „DTPA-R“ bilden. An der Spitze dieses Projekts standen Volker Morath und Katja Fritschle aus der Nuklearmedizin, die zusammen mit ihrem Team auch den passenden Radioliganden entwickelten. Das Verfahren wurde schließlich gemeinsam mit dem Immuntherapie-Experten Dirk Busch, Professor für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der TUM, an CAR-T-Zellen erprobt.
Erwartungen erfüllt
Mithilfe dieser Methode konnten die Wissenschaftler:innen in Mausversuchen sichtbar machen, dass die Zellen tatsächlich in das betroffene, erkrankte Gewebe wanderten und sich dort teilten. Sie konnten außerdem belegen, dass der Radioligand schnell über die Nieren ausgeschieden wird, ausschließlich an Zellen mit dem künstlichen Rezeptor bindet und nicht mit anderen Körperprozessen interferiert. Darüber hinaus zeigte die Studie, dass auf diese Weise auch Gentherapien überwacht werden können, bei denen Viren als Werkzeug dienen, um Erbinformationen in Zellen zu verändern.
„Ein wichtiges Werkzeug“
„Seit einigen Jahren ist klar, dass neue medizinische Anwendungen wie Immun- und Gentherapien ein unglaubliches Potenzial haben“, sagt Studienleiter Prof. Wolfgang Weber. „Wir glauben, dass wir ein wichtiges Werkzeug geschaffen haben, mit dem wir solche Therapien sicherer machen können, indem wir besser verstehen, was im Körper geschieht.“ Obwohl sich die Entwicklung des Verfahrens noch in einem frühen Stadium befindet, laufen die Vorbereitungen für die Überprüfung von Sicherheit und Wirksamkeit in klinischen Studien bereits, bevor es bei menschlichen Patient:innen eingesetzt werden kann. Auch die Weiterentwicklung des Ansatzes für eine potenzielle Kommerzialisierung ist in vollem Gange.
Aus Sicht der Forschenden kann diese Methode schon jetzt wichtige Erkenntnisse für die Grundlagenforschung liefern. Zugleich soll das neue Verfahren dem Tierschutz zugutekommen: Durch die Möglichkeit, Versuchstiere im Verlauf von Experimenten kontinuierlich zu beobachten, lässt sich ihre Zahl bei der Entwicklung neuer Zell- und Gentherapien erheblich reduzieren.
Quelle: Technische Universität München (06/2025)
Publikation:
Volker Morath, Katja Fritschle et al. „PET-based tracking of CAR T cells and viral gene transfer using a cell surface reporter that binds to lanthanide complexes”. Nature Biomedical Engineering (2025). DOI: 10.1038/s41551-025-01415-7.
https://doi.org/10.1038/s41551-025-01415-7