Neuer Ansatz soll Erkenntnisse aus Tierexperimenten zuverlässiger machen

17. Juni 2025

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Medizinische Forschungsergebnisse basieren häufig auf Mausexperimenten, doch die Reproduzierbarkeit dieser Resultate ist oft problematisch, da Ergebnisse aus einem Labor nicht immer von anderen Arbeitsgruppen bestätigt werden können. Ein Forschungsteam unter der Leitung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), in Zusammenarbeit mit den Universitäten Duisburg-Essen und Freiburg sowie dem Helmholtz-Zentrum Braunschweig, hat nun eine potenzielle Lösung vorgestellt: Sie übertragen Labormäusen eine weitgehend natürliche Magen-Darm-Flora von wildlebenden Mäusen.

Diese natürliche Darmflora ist vermutlich robuster gegenüber kleinen Unterschieden in den Haltungsbedingungen der Labore. Darüber hinaus führte diese Übertragung dazu, dass die Immunabwehr der Nagetiere reifte und der von wildlebenden Mäusen sowie erwachsenen Menschen ähnlicher wurde. Labormäuse, die seit etwa einem Jahrhundert in der Forschung eingesetzt werden, stammen ursprünglich von der Hausmaus ab. Durch die jahrzehntelange Verpaarung von Geschwistern sind sie genetisch nahezu identisch. Dies stellt sicher, dass Abweichungen zwischen Versuchs- und Kontrolltieren in Experimenten nicht auf Unterschiede in den Erbanlagen zurückgeführt werden können, was die Interpretation von Forschungsergebnissen vereinfachen sollte. „Aus diesem Grund eignen sich die Tiere im Prinzip ausgezeichnet dazu, medizinische Fragestellungen zu klären“, betont Studienleiter Prof. Dr. Stephan Rosshart, Professor für Mikrobiomik an der FAU und Leiter der Abteilung für Mikrobiom-Forschung am Uniklinikum Erlangen.

Sterile Haltung beeinträchtigt Immunsystem und Forschungsergebnisse

Um externe Einflüsse auf Versuchsergebnisse zu minimieren, werden konventionelle Labormäuse unter größtenteils sterilen Bedingungen aufgezogen. Diese Praxis hat jedoch zwei wesentliche Nachteile: Zum einen können die Nagetiere unter diesen Bedingungen kein reifes Immunsystem entwickeln. Ihre Immunzellen verhalten sich daher signifikant anders als die ihrer wildlebenden Verwandten oder des Menschen. Dies begrenzt die Übertragbarkeit der aus Experimenten gewonnenen Erkenntnisse erheblich. Beispielsweise kann ein in Labormäusen hochwirksamer Wirkstoff in Humanstudien völlig versagen.

Sterile Haltung beeinträchtigt Immunsystem und Forschungsergebnisse

Um externe Einflüsse auf Versuchsergebnisse zu minimieren, werden konventionelle Labormäuse unter größtenteils sterilen Bedingungen aufgezogen. Diese Praxis hat jedoch zwei wesentliche Nachteile: Zum einen können die Nagetiere unter diesen Bedingungen kein reifes Immunsystem entwickeln. Ihre Immunzellen verhalten sich daher signifikant anders als die ihrer wildlebenden Verwandten oder des Menschen. Dies begrenzt die Übertragbarkeit der aus Experimenten gewonnenen Erkenntnisse erheblich. Beispielsweise kann ein in Labormäusen hochwirksamer Wirkstoff in Humanstudien völlig versagen.

Empfindliches Mikrobiom

Der zweite Nachteil betrifft das sogenannte Mikrobiom, also die Gesamtheit der Mikroorganismen, die auf der Haut, in der Mundhöhle oder im Magen-Darm-Trakt der Mäuse leben. Da die Labortiere nur mit einer sehr geringen Anzahl an Bakterienarten in Kontakt kommen, unterscheidet sich ihr Mikrobiom stark von dem ihrer wildlebenden Artgenossen und ist zudem ausgesprochen empfindlich. „Schon kleine Änderungen in den Haltungsbedingungen können die Zusammensetzung der Mikroorganismen dramatisch ändern“, sagt Rosshart.

Tiere, die in verschiedenen Laboratorien derselben Stadt gehalten werden, können ein völlig unterschiedliches Mikrobiom aufweisen. Dies ist problematisch, da es die Ergebnisse von Experimenten erheblich beeinflussen kann. Möglicherweise ist dies auch ein Grund für die sogenannte „Reproduktions-Krise“ in der Fachwelt: Es kommt häufig vor, dass Ergebnisse, die in einem Labor erzielt wurden, von anderen Arbeitsgruppen nicht reproduziert werden können.

Wilde Hausmäuse als Leihmütter

Bereits im Jahr 2019 entwickelte Rosshart, damals noch in den USA tätig, sogenannte „Wildlinge“. Er implantierte dabei Labormausembryonen in Hausmäuse, die als „Leihmütter“ fungierten. Nach der Geburt verfügten die Jungtiere so über ein Mikrobiom, das dem von Wildmäusen entsprach. Darüber hinaus besaßen die Wildlinge ein Immunsystem, das dem menschlichen vergleichbar war, wodurch die gewonnenen Daten eine bessere Übertragbarkeit auf den Menschen aufwiesen. In ihrer aktuellen Studie hat das Team um den Erlanger Wissenschaftler diesen Prozess nun vereinfacht und standardisiert, um so das Problem der Reproduktionskrise in der medizinischen Forschung zu lösen. „Wir haben nun aus dem Magen-Darm-Trakt eines Wildlings die Mikroorganismen isoliert und über eine Sonde in den Magen einer konventionellen Labormaus übertragen“, sagt Rosshart.

Stabiles Wildmaus-Mikrobiom für reproduzierbare Forschung

Nicht nur bei diesem Tier, sondern auch bei seinen vier Stallgenossen entwickelte sich binnen weniger Tage ein wildmausähnliches Mikrobiom. Die Forschenden konnten zeigen, dass dieses Mikrobiom in seiner Zusammensetzung außergewöhnlich stabil ist. Dies liegt daran, dass das natürliche Mikrobiom im Laufe der Evolution stetig optimiert wurde. Tatsächlich unterscheidet sich die Zusammensetzung der Mikroorganismen bei wildlebenden Mäusen nur geringfügig, selbst wenn man Tiere aus weit entfernten Regionen wie den USA und Deutschland vergleicht. Dies deutet darauf hin, dass Experimente mit den nach dem neu entwickelten Prozess behandelten Mäusen deutlich reproduzierbarere Ergebnisse liefern sollten.

Zudem reifte durch diese Übertragung die Immunabwehr der Nagetiere und ähnelte danach der von wildlebenden Mäusen sowie erwachsenen Menschen. Dies könnte dazu führen, dass Versuche mit diesen Tieren realistischere Ergebnisse liefern als mit ihren unter sterilen Bedingungen gehaltenen Artgenossen. „Wir können das aus Wildlingen gewonnene Mikrobiom einfrieren und an interessierte Labore weltweit verschicken“, erklärt Rosshart. „Die Bakterien vor Ort auf eine Vielzahl von Tieren zu übertragen, ist dann sehr einfach. Wir hoffen, so eine Art Standard-Mikrobiom für Labormäuse zu etablieren und damit die Reproduzierbarkeit und Allgemeingültigkeit globaler biomedizinischer Forschung zu verbessern.“

Quelle

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (06/2025)

Publikation

https://doi.org/10.1038/s41467-025-60554-2

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