Hefe stellt erstmals den Wirkstoff humane DNase1 her

6. Juni 2025

Das humane Protein DNase1, das seit 1958 zur Behandlung von Krankheiten wie Mukoviszidose eingesetzt wird, wird bislang aufwendig und teuer in immortalisierten Hamsterzellen produziert. Ein Team um Dr. Markus Napirei in der Abteilung für Anatomie und Molekulare Embryologie von Professor Dr. Beate Brand-Saberi an der Ruhr-Universität Bochum hat nun jedoch einen Durchbruch erzielt: Erstmals ist es ihnen gelungen, dieses wichtige Biologikum in anspruchsloseren und damit kostengünstigeren Hefezellen herzustellen. „Das ist das Ergebnis mehrjähriger Arbeit und könnte einen Grundstein zur Herstellung humaner DNase1 in Hefe als Biologikum legen“, freut sich der Forscher.

Ein beliebter Helfer

Der Hefepilz Pichia pastoris ist ein beliebter Mikroorganismus für die Herstellung therapeutisch wirksamer Biologika. Um das gewünschte Protein zu produzieren, wird der genetische Bauplan des Proteins, der zuvor im Labor künstlich als DNA-Molekül hergestellt wurde, mithilfe eines elektrischen Impulses in die Hefezellen eingeschleust. Die Hefezellen nehmen diesen Bauplan dann stabil in ihr Erbgut auf, lesen ihn ab und setzen das darin kodierte Protein frei. „Vorteile der Hefe gegenüber Säugerzellen sind kostengünstige Kulturbedingungen, eine hohe Reproduktionsrate ohne die Notwendigkeit der Zell-Immortalisierung sowie eine geringere Anfälligkeit gegenüber Pathogenen“, erläutert Markus Napirei.

Im Rahmen der Promotionsarbeit von Jan-Ole Krischek, betreut von Dr. Markus Napirei und Professor Dr. Hans Georg Mannherz, ist ein bedeutender Erfolg gelungen: Es wurde zum ersten Mal humane DNase1 erfolgreich im Hefepilz Pichia pastoris exprimiert, gereinigt und charakterisiert. Überraschenderweise stellten die Forscher jedoch fest, dass die Hefe deutlich weniger menschliche DNase1 produzierte als die verwandte DNase1 der Maus, obwohl beide Proteine in ihrer Primärstruktur zu 82 Prozent übereinstimmen. „Das liegt unter anderem am individuellen Faltungsverhalten der beiden verwandten Proteine“, so Napirei. Was ihre biochemischen und funktionellen Eigenschaften angeht, so erweist sich die Maus-DNase1 teilweise als Vorbild für die bereits in der Entwicklung befindlichen pharmakologisch adaptierten Isoformen der humanen DNase1.

DNase1: Eine Schlüsselrolle bei der Mukoviszidose-Behandlung

DNase1 ist ein natürliches Protein, das in unseren Körpersekreten und -flüssigkeiten vorkommt. Seine primäre Funktion ist das Zerkleinern von zellfreier DNA, damit der Körper diese entweder ausscheiden oder wiederverwerten kann. Manchmal wird DNA aus unseren eigenen Zellen oder von Mikroorganismen freigesetzt, was unter bestimmten Bedingungen zu Krankheitssymptomen führen kann. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Mukoviszidose, eine Erkrankung, die durch zähflüssigen, DNA-haltigen Schleim in den Bronchien gekennzeichnet ist.

Seit 1993 wird das menschliche Enzym DNase1 aus Ovarialepithelzellen des Hamsters (CHO-Zellen) gewonnen und therapeutisch eingesetzt. Bei Patienten mit Mukoviszidose wird inhalierte DNase1 verwendet. Sie hilft dabei, den zähflüssigen, DNA-reichen Bronchialschleim zu verflüssigen, wodurch er leichter abgehustet werden kann und so die Atemwege entlastet werden.

Potenzielle Anwendungen von DNase1 über Mukoviszidose hinaus

Der Einsatz von DNase1 ist auch bei anderen pathologischen Prozessen denkbar. Diese Endonuklease spielt eine wichtige Rolle bei der Beseitigung von sogenannten Neutrophil Extracellular Traps (NETs). NETs dienen primär dazu, bakterielle Pathogene zu immobilisieren.

Bei einer Sepsis, aber auch bei einer schweren Infektion mit SARS-CoV-2, kommt es jedoch zu einer krankhaft gesteigerten Bildung von NETs. Dies führt zur Entstehung von Mikrothromben, die einen hohen Anteil an NET-Bestandteilen aufweisen. Die Fähigkeit von DNase1, DNA abzubauen, könnte hier therapeutisches Potenzial bieten, indem sie diese übermäßige Bildung von NETs und die damit verbundenen Komplikationen reduziert. „Es könnte sinnvoll sein, DNase1 einzusetzen, um diese DNA-haltigen Mikrothromben besser aufzulösen“, erklärt Markus Napirei. Ein anderes Beispiel ist die Anwendung der DNase1 zur Auflösung der Thrombose einer Hirnarterie bei ischämischen Schlaganfällen, zu der aktuell klinische Studien stattfinden.



Quelle: Ruhr-Universität Bochum (05/2025)


Publikation:
Jan-Ole Krischek, Hans Georg Mannherz, Markus Napirei: Different Results Despite High Homology: Comparative Expression of Human and Murine DNase1 in Pichia pastoris, in: Plos One, 2025, DOI: 10.1371/journal.pone.0321094, https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0321094

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