Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben ein innovatives Diagnoseverfahren für Harnwegsinfektionen entwickelt, das Testergebnisse zu Antibiotikaresistenzen bereits einen Tag früher liefert als herkömmliche Labormethoden. Da die zeitintensive Vorkultivierung der Bakterien entfällt, verkürzt sich die bisher übliche Wartezeit von zwei bis drei Tagen erheblich, was zudem den Weg für zukünftige Schnelltests zur Heimanwendung ebnet. Dies ist besonders relevant, da Harnwegsinfektionen mit jährlich rund 152 Millionen Betroffenen zu den häufigsten bakteriellen Erkrankungen weltweit zählen.
Bisher führt die gängige Praxis – eine schnelle Diagnose von Entzündungswerten in der Arztpraxis gefolgt von der pauschalen Verschreibung von Breitband-Antibiotika ohne Erregerbestimmung – oft zu Fehlbehandlungen. Die neue Methode der TUM könnte diese Versorgungslücke schließen, Komplikationsrisiken senken und gezielt der Entstehung gefährlicher Antibiotikaresistenzen entgegenwirken.
Neues Verfahren ermöglicht schnelle Resistenztestung
Das innovative Verfahren der TUM-Forschenden ermöglicht es, Urinproben ohne die zeitintensive Standardisierung von Bakterienkulturen direkt auf die Wirksamkeit von Antibiotika zu testen, was den Diagnoseprozess um bis zu 24 Stunden verkürzt. Dabei wird die Probe unmittelbar auf Nährbodenplatten mit Antibiotika-Plättchen aufgebracht, woraufhin ein spezieller Algorithmus die entstehenden Hemmhöfe analysiert. Durch die mathematische Berücksichtigung der tatsächlichen Bakterienkonzentration liefert die Methode selbst bei direkter Testung zuverlässige Resistenzprofile. Ergänzend dazu entwickelt das Team ein papierbasiertes „Point-of-Care“-Gerät, das mittels Farbcodierungen acht verschiedene Bakterienstämme identifiziert und deren Resistenzen direkt anzeigt.
Zielgerichtete Therapie statt Breitband-Antibiotika
Das beschleunigte Verfahren erzielt bereits heute eine beachtliche Präzision und erreicht bei direkt getesteten Urinproben eine Übereinstimmung von rund 94 Prozent mit der etablierten Standardmethode. Eventuelle Abweichungen, etwa bei Mischinfektionen oder sehr geringen Bakterienkonzentrationen, nutzt das Forschungsteam gezielt zur weiteren Optimierung der Technologie. Prof. Oliver Hayden unterstreicht die medizinische Relevanz dieser Entwicklung: „Je früher wir wissen, welches Antibiotikum wirkt, desto zielgerichteter können wir behandeln. Dann müssen wir seltener zu Breitband-Antibiotika greifen, die wir aus Gründen der Resistenzentwicklung eigentlich sparsam einsetzen sollten.“
Die Vision für die praktische Anwendung geht dabei über das Labor hinaus, wie Henning Sabersky-Müssigbrodt erläutert: „Ziel ist ein kleiner, benutzerfreundlicher Test zur Anwendung in jeder Arztpraxis und zukünftig zur Selbsttestung zu Hause – mittels papierbasiertem Test-Kit und Smartphone-Ergebnisanzeige. Die Technologie ist bewusst auch für ressourcenarme Regionen konzipiert, wo schnelle, zuverlässige Diagnostik entscheidend ist.”
Quelle
Technische Universität München (12/2025)
Publikation
Sabersky-Müssigbrodt, H., Russell, S., Wantia, N., Hayden, O. Rapid direct disk diffusion testing for antibiotic resistance in urinary tract infections: a bacterial concentration-adjusted approach. Microbiology Spectrum (2025). https://doi.org/10.1128/spectrum.00888-25