Das Kupfer-Isotop Cu-64 ist in der Medizin von großer Bedeutung, da es sowohl für bildgebende Verfahren eingesetzt wird als auch Potenzial in der Krebstherapie besitzt. Da dieses Isotop jedoch nicht in der Natur vorkommt, muss es aufwendig künstlich hergestellt werden. Bislang erfolgte die Produktion hauptsächlich durch den Beschuss von Nickel-Atomen mit Protonen, wobei das absorbierte Proton den Nickel-Atomkern in Kupfer umwandelt. An der TU Wien konnte nun allerdings eine alternative, vielversprechende Methode entwickelt werden: Es wurde gezeigt, dass man das häufig vorkommende Isotop Cu-63 im Kernreaktor durch Neutronenbeschuss ebenfalls in Cu-64 umwandeln kann. Dieser alternative Herstellungsweg nutzt einen speziellen Prozess, der als „Recoil-Chemie“ bekannt ist.
Aus Nickel wird Kupfer
Alle Kupfer-Atome besitzen 29 Protonen, wobei die Anzahl der Neutronen variieren kann. Die häufigste Kupfer-Variante ist das stabile Isotop Cu-63 mit 34 Neutronen. Das medizinisch interessante Isotop Cu-64 hingegen besitzt ein zusätzliches Neutron und ist daher radioaktiv. Es zerfällt mit einer Halbwertszeit von knapp 13 Stunden. Gerade diese Zerfallscharakteristik macht Cu-64 für die medizinische Anwendung so attraktiv: Es ist stabil genug, um im Körper an die gewünschte Stelle transportiert zu werden, zerfällt aber rasch genug, um die Strahlenbelastung für den Patienten gering zu halten.
Die bisherige Herstellung von Cu-64 ist allerdings aufwendig. „Bisher wird Cu-64 in einem Zyklotron hergestellt“, erklärt Veronika Rosecker von der TU Wien. „Man kann Kupfer-64 herstellen, indem man Nickel-64 verwendet und mit Protonen beschießt. Dabei wird das Proton absorbiert, und ein Neutron wird herausgeschlagen – so wird aus Nickel-64 also Kupfer-64.“ Obwohl diese Methode sehr gut funktioniert, ist sie aufwändig und setzt voraus, dass sowohl ein Zyklotron als auch das ebenfalls recht seltene Isotop Nickel-64 zur Verfügung stehen.
Kupfer mit einem zusätzlichen Neutron
Angesichts der Schwierigkeiten bei der Herstellung von Cu-64 aus Nickel liegt die Idee nahe, es stattdessen direkt aus dem häufig vorkommenden Kupfer-Isotop Cu-63 zu erzeugen. Hierfür müsste man den Kupfer-Atomkernen lediglich ein einziges Neutron hinzufügen. Das lässt sich im Kernreaktor bewerkstelligen. Allerdings ergibt sich dabei ein anderes Problem, wie Martin Pressler erläutert: „Wenn man Kupfer-63 mit Neutronen beschießt, erzeugt man zwar Kupfer-64-Kerne, aber es ist fast unmöglich, diese Atomkerne von den gewöhnlichen Kupfer-Atomkernen zu trennen.“ Das Resultat dieser Methode ist daher ein Endprodukt, das den Großteil an gewöhnlichem Kupfer enthält, während nur winzige Spuren des gewünschten, radioaktiven Kupfer-64 vorhanden sind.
Die Lösung: Recoil-Chemie
Dieses Trennproblem wird nun durch die Anwendung der „Recoil-Chemie“ gelöst. Dieses Phänomen ist seit fast 100 Jahren bekannt, fand aber bisher keine Anwendung in der Produktion medizinischer Radioisotope. Der Trick besteht darin, die Kupfer-Atome vor dem Neutronenbeschuss in Moleküle einzubauen. „Wenn nun das Kupfer-63-Atom im Molekül ein Neutron absorbiert, und damit zu Kupfer-64 wird, dann hat es zunächst eine große Menge Energie, die als Strahlung abgegeben wird“, sagt Veronika Rosecker. Dabei emittiert das Kupfer-Atom ein Gamma-Photon, wodurch es einen Rückstoß (engl. Recoil) erfährt – ähnlich dem einer Rakete. Dieser Rückstoß ist stark genug, um das nun radioaktive Cu-64-Atom aus dem ursprünglichen Molekül herauszureißen.
„Das bedeutet: Nun haben wir eine saubere Trennung von Kupfer-63 und Kupfer-64“, sagt Veronika Rosecker. „Die Kupfer-63-Atome sind in den Molekülen gebunden, die Kupfer-64-Atome hingegen liegen ungebunden vor. So lassen sich die beiden Isotope problemlos chemisch voneinander trennen.“
Schlüssel zur Trennung: Das passende Molekül
Der entscheidende Faktor für den Erfolg dieser Recoil-Chemie war die Auswahl des passenden Moleküls. Dieses musste stabil genug sein, um die Bedingungen in einem Kernreaktor zu überstehen, aber gleichzeitig gut löslich für die anschließende chemische Trennung.
„All diese Anforderungen konnten wir erfüllen, mit einem metallorganischen Komplex, der ein bisschen an Häm erinnert, das in unserem Blut vorkommt“, sagt Martin Pressler. Zwar wurden ähnliche Substanzen schon früher untersucht, doch waren diese bisher nicht löslich. Der aktuelle Komplex wurde chemisch modifiziert, wodurch die Substanz nun gut löslich ist und man die gewünschten Cu-64-Atome nach dem Neutronenbeschuss relativ einfach herausholen kann.
Die neue Methode ist automatisierbar, und die Moleküle können sogar verlustfrei wiederverwendet werden. Darüber hinaus ist statt eines teuren Zyklotrons lediglich ein Forschungsreaktor nötig.
Quelle
Technische Universität Wien (12/2025)
Publikation
M. Pressler et al., Fast and easy reactor-based production of copper-64 with high molar activities using recoil chemistry, Dalton Trans., 2025,54, 15701-15704. https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2025/dt/d5dt02046h