Wissenschaftler der TU Graz und der University of Surrey haben gemeinsam die Bewegung einzelner Wassermoleküle über zwei der dünnsten Materialien der Welt – Graphen und hexagonales Bornitrid (h-BN) – untersucht. Die Ergebnisse zeigten unerwartete Unterschiede: Einzelne Wassermoleküle bewegen sich auf der Oberfläche von h-BN geschmeidiger und freier, indem sie eher „laufen“ als „springen“ im Vergleich zu Graphen. Marco Sacchi erklärt dazu: „Wir neigen dazu, Wasser als simpel anzusehen, aber auf molekularer Ebene verhält es sich ziemlich außergewöhnlich. Unsere Arbeit zeigt, dass kleinste Details einer Oberfläche die Bewegung von Wasser verändern können – etwas, das uns helfen könnte, bessere Beschichtungen, Sensoren und Geräte zu entwickeln.“
Moleküle mit eigenem Willen
Sowohl Graphen als auch hexagonales Bornitrid (h-BN) sind ultradünne, blattartige Materialien, die sich durch eine ähnliche Wabenstruktur auszeichnen. Dennoch besteht ein wesentlicher Unterschied: Während Graphen elektrisch leitfähig ist, verhält sich h-BN als Isolator. Dieser feine, aber fundamentale Unterschied in der elektronischen Eigenschaft beeinflusst maßgeblich die Art und Weise, wie die Oberfläche der jeweiligen Materialien mit Wasser interagiert.
Mithilfe der Helium-Spin-Echo-Spektroskopie, einer hochpräzisen Technik, die es ermöglicht, die Bewegung von Molekülen zu verfolgen, ohne diese zu beschädigen, beobachtete das Forscherteam aus Graz die Bewegungsdynamik einzelner Wassermoleküle auf beiden Materialien. Dabei entdeckten sie, dass sich die Wassermoleküle auf h-BN drehen und rollen, während sie sich fortbewegen – was an das Gleiten eines winzigen Kreisels über eine Tischplatte erinnert. Dies steht im Gegensatz zur Bewegung auf Graphen, wo die Moleküle dazu neigen, zwischen festen Stellen zu springen.
Weniger Reibung, mehr Freiheit
Um eine Erklärung für die beobachtete unterschiedliche Bewegung zu finden, modellierten die Forscher die atomare Bewegung der Wassermoleküle mithilfe von Computersimulationen. Dabei stellten sie fest, dass Wasser auf hexagonales Bornitrid (h-BN) leichter gleitet, wenn dieses Material auf einer Nickelschicht liegt. Dieser Aufbau führt zu weniger Reibung, wodurch sich ein einzelnes Wassermolekül einfacher bewegen kann.
Auf Graphen hingegen ist der Effekt umgekehrt: Das darunterliegende Metall bewirkt, dass die inneren Schwingungen des Wassermoleküls stärker mit der Oberfläche „verbunden“ werden. Dies resultiert in einer höheren Reibung, wodurch sich das Molekül weniger geschmeidig fortbewegen kann.
Ein Schritt in Richtung Designer-Oberflächen
Die gewonnenen Erkenntnisse über die Steuerung der Wassermolekülbewegung auf 2D-Materialien im Nanobereich könnten weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Technologien haben. Hierzu zählen unter anderem Enteisungsbeschichtungen, mikrofluidische Geräte, fortschrittliche Schmierstoffe sowie Energiematerialien der nächsten Generation.
Das Grazer Team betont den praktischen Nutzen ihrer Entdeckung. Anton Tamtögl fasst zusammen: „Wenn wir durch die Wahl des richtigen Materials und Substrats die Bewegung von Wasser steuern können, könnten wir Oberflächen entwickeln, die die Benetzung kontrollieren oder der Vereisung widerstehen. Das ist für alles, von Beschichtungsanwendungen bis hin zu Entsalzungsmembranen, von großem Wert.“
Diese Forschungsarbeit dient zudem als hervorragendes Beispiel für den Erfolg internationaler wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Nachwuchswissenschaftler wie Philipp Seiler, Anthony Payne, Neubi Xavier Jr, Louie Slocombe und Adam Payne leisteten entscheidende Beiträge zu den Experimenten und Computersimulationen. Marco Sacchi unterstreicht diesen Aspekt abschließend: „Diese Studie war eine echte Teamleistung. Sie vereint modernste experimentelle Physik in Graz und computergestützte Chemie in Surrey, um etwas völlig Neues über eines der häufigsten Moleküle der Erde aufzudecken.“
Quelle
Technische Universität Graz (12/2025)
Publikation
Understanding water behaviour on 2D material interfaces through single-molecule motion on h-BN and graphene. Philipp Seiler, Anthony J. R. Payne, Neubi F. Xavier Jr, Louie Slocombe, Marco Sacchi, Anton Tamtögl. Nature Communications volume 16, Article number: 10465 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-65452-1