Angesichts der rasant steigenden Textilproduktion (über hundert Millionen Tonnen jährlich) wird das umweltschonende Recycling alter Textilien immer dringlicher. Dies ist besonders bei Mischtextilien wie Baumwoll-Polyester-Gemischen eine Herausforderung. An der TU Wien wurde nun eine verblüffend einfache und effiziente Methode zur Trennung und Wiederverwertung solcher Mischtextilien entwickelt. Der Schlüssel liegt in der Nutzung von Menthol und Benzoesäure, zwei ungiftigen Substanzen.
Fünf Minuten sind genug
„Was zunächst überrascht: Sowohl Menthol als auch Benzoesäure sind bei Raumtemperatur fest. Doch zusammen bilden sie eine Flüssigkeit – ein sogenanntes Deep Eutectic Solvent. Diese neuartige Flüssigkeit ist ein leistungsfähiges, ungiftiges und leicht herstellbares Lösungsmittel, das vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bietet“, erklärt Andreas Bartl.
Das neue Verfahren nutzt ein ungiftiges Lösungsmittel (Menthol und Benzoesäure), das bei 216 °C einen faszinierenden Prozess startet. Innerhalb von nur fünf Minuten löst sich der Polyesteranteil aus dem Mischtextil vollständig, während die Baumwolle unverändert bleibt. Nach der Trennung kann die Baumwolle direkt wiederverwendet werden. Der Polyester fällt beim Abkühlen aus und lässt sich ebenfalls vollständig recyceln. Mit Rückgewinnungsraten von 100 % für Baumwolle und 97 % für Polyester ermöglicht diese Methode ein nahezu vollständiges Recycling. Das war mit herkömmlichen Techniken bisher nicht möglich.
Nur trennen – nicht chemisch zerlegen
„Das wirklich Erstaunliche an diesem neuen Verfahren ist, dass weder die Baumwolle noch der Polyester beschädigt oder chemisch verändert werden“, sagt Andreas Bartl. „Unsere Untersuchungen zeigen: Die Baumwollfasern bleiben stabil und behalten ihre typischen Eigenschaften – sie lassen sich sogar wieder zu neuen Garnen verspinnen. Und auch der Polyester bleibt unverändert: Seine Struktur und Schmelztemperatur sind gleich wie zuvor. Das zeigt, wie schonend und effizient dieser Recyclingprozess funktioniert.“ Im Gegensatz zu gängigen Recyclingverfahren, bei denen Polyester üblicherweise chemisch in kleinere Molekülbausteine zerlegt wird, ermöglicht die neue Methode die vollständige Erhaltung der Polymerketten. Dieser entscheidende Unterschied führt dazu, dass die hohe Materialqualität des Polyesters beim Recyclingprozess erhalten bleibt.
Vielversprechende Methode
Obwohl das Verfahren von dem Forschungsteam um Nika Depope und Andreas Bartl bisher nur im Labor erprobt wurde, sehen sie ein großes industrielles Potenzial. Sowohl die zurückgewonnene Baumwolle als auch der recycelte Polyester können für eine Vielzahl von Anwendungen genutzt werden, beispielsweise zur Herstellung neuer Garne, Fasern, Vliesstoffe oder technischer Textilien.
Aktuell konzentriert sich das Team darauf, den Prozess energieeffizienter zu gestalten, da die benötigte Temperatur von 216∘C energetisch einen Nachteil darstellt. Dennoch sind die Forschenden zuversichtlich, weitere Optimierungen erreichen zu können. Damit will man die Methode künftig im industriellen Maßstab erfolgreich einsetzen können.
Quelle
Technische Universität Wien (11/2025)
Publikation
N.Depope et al., Deep eutectic solvent as a solution for polyester/cotton textile recycling, Waste Management 208 (2025).
https://doi.org/10.1016/j.wasman.2025.115177