Uralte Verbindung zwischen Oktopus und Tintenfisch nachgewiesen

28. November 2025

Forschende um Oleg Simakov von der Universität Wien, dem NITW und der Universität Shimane haben das bisher größte sequenzierte Genom eines Kopffüßers präsentiert. Ihre Analysen am Genom des Vampirtintenfischs (Vampyroteuthis sp.) belegen, dass dieser Teile einer alten, tintenfischähnlichen Chromosomenstruktur bewahrt hat. Dies bestätigt, dass sich moderne Kraken von tintenfischähnlichen Vorfahren entwickelt haben.

Der Vampirtintenfisch ist eines der rätselhaftesten Tiere der Tiefsee. Seinen Namen verdankt er seinem dunklen Körper, den großen Augen und den mantelartigen Schwimmhäuten, obwohl er sich friedlich von organischen Abfällen und nicht von Blut ernährt. „Interessanterweise heißt der Vampirtintenfisch im Japanischen ‚kōmori-dako‘, was so viel wie ‚Fledermaus-Oktopus‘ bedeutet“, erklärt Masa-aki Yoshida von der Universität Shimane. Hinter seinem Äußeren verbirgt sich jedoch ein tieferes Geheimnis: Obwohl der Vampirtintenfisch zu den Oktopussen zählt, weist er auch Merkmale von Tintenfischen und Sepien auf. Um dieses Paradoxon zu entschlüsseln, hat ein internationales Team unter der Leitung von Oleg Simakov zusammen mit Davin Setiamarga und Masa-aki Yoshida das Genom des Vampirtintenfischs entschlüsselt.

Ein Blick in die Tiefsee-Evolution

Durch die Sequenzierung des Genoms von Vampyroteuthis sp. rekonstruierten die Forschenden ein Schlüsselkapitel der Kopffüßer-Evolution. Die „modernen“ Kopffüßer (Coleoidea) spalteten sich vor über 300 Millionen Jahren in die zehnarmigen Decapodiformes (Kalmare und Sepien) und die achtarmigen Octopodiformes (Kraken und der Vampirtintenfisch) auf.

Obwohl der Vampirtintenfisch wie ein Krake acht Arme besitzt, teilt er wichtige genomische Merkmale mit seinen zehnarmigen Verwandten und nimmt dadurch eine wichtige Stellung zwischen beiden Linien ein. Sein Genom zeigt in der chromosomalen Struktur und Organisation viele ursprünglichere Charakteristika der Kalmare, die sich evolutionär früher abgespalten haben, obwohl er selbst zu den Oktopussen gehört.

Ein enormes Genom mit uralter Architektur

Mit über 11 Milliarden Basenpaaren ist das Genom des Vampirtintenfischs das größte jemals analysierte Genom eines Kopffüßers und fast viermal so groß wie das menschliche Genom. Trotz dieser Größe weisen seine Chromosomen eine überraschend konservierte Struktur auf. Daher gilt Vampyroteuthis als „genomisches lebendes Fossil“ – ein moderner Vertreter einer uralten Abstammungslinie, der wichtige evolutionäre Merkmale bewahrt hat. Das Forschungsteam fand heraus, dass er Teile eines zehnköpfigen tintenfischähnlichen Karyotyps bewahrt hat, während moderne Kraken im Laufe der Evolution umfangreiche Chromosomenfusionen und Umstrukturierungen durchliefen. Diese konservierte Genomarchitektur liefert somit neue Hinweise darauf, wie sich die einzelnen Kopffüßer-Linien auseinanderentwickelten.

„Der Vampirtintenfisch steht genau an der Schnittstelle zwischen Kraken und Tintenfischen“, sagt der Hauptautor Oleg Simakov. „Sein Genom enthüllt tiefgreifende evolutionäre Geheimnisse darüber, wie zwei auffallend unterschiedliche Abstammungslinien aus einem gemeinsamen Vorfahren hervorgehen konnten.“

Oktopus-Genome bildeten ihre eigene evolutionäre Autobahn

Durch den Vergleich des Vampirtintenfischs mit anderen sequenzierten Arten, darunter dem Hochseeoktopus Argonauta hians (dessen Genom ebenfalls erstmals in dieser Studie präsentiert wurde), konnten die Forschenden die Richtung der Chromosomenveränderungen im Laufe der Evolution nachvollziehen. Die Analyse legt nahe, dass frühe Kopffüßer (Coleoidea) eine tintenfischähnliche Chromosomenorganisation besaßen. Diese Einzelteile verschmolzen teilweise und verdichteten sich in das moderne Oktopus-Genom – ein Prozess, der als „fusion with mixing“ bekannt ist. Diese irreversiblen Umstrukturierungen führten wahrscheinlich zu wichtigen morphologischen Neuerungen wie der Spezialisierung der Arme und dem Verlust der äußeren Schalen. „Obwohl der Vampirtintenfisch zu den Oktopussen gezählt wird, besitzt er ein genetisches Erbe, das älter ist als beide Abstammungslinien“, ergänzt die Zweitautorin Emese Tóth von der Universität Wien. „Es ermöglicht uns einen direkten Einblick in die frühesten Stadien der Kopffüßer-Evolution.“

Eine grundlegende Erkenntnis der Evolution der Kopffüßer

Die Studie liefert den bisher deutlichsten genetischen Beweis dafür, dass der gemeinsame Vorfahre von Kraken und Tintenfischen tintenfischähnlicher war, als man bisher annahm. Sie hebt hervor, dass die umfassende chromosomale Reorganisation – und nicht die Entstehung neuer Gene – der Hauptgrund für die bemerkenswerte Vielfalt der modernen Kopffüßer war.

Quelle

Universität Wien (11/2025)

Publikation

Yoshida, M.A., Tóth, E., Kon-Nanjo, K., Kon, T., Hirota, K., Toyoda, A., Toh, H., Miyazawa, H., Terauchi, M., Noguchi, H., Setiamarga, D.H.E., Simakov, O., Giant genome of the vampire squid reveals the derived state of modern octopod karyotypes, iScience (2025).
DOI: 10.1016/j.isci.2025.113832
https://www.cell.com/iscience/fulltext/S2589-0042(25)02093-0

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