Altern verändert die Proteinlandschaft im Gehirn – Ernährung kann dem entgegensteuern

25. November 2025

Eine Studie des Leibniz-Instituts für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena hat gezeigt, dass sich mit zunehmendem Alter die chemische Zusammensetzung der Proteine im Gehirn grundlegend verändert. Das wirkt sich auf Gedächtnis, Reaktionsfähigkeit und das Risiko neurodegenerativer Erkrankungen aus. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Alessandro Ori fand heraus, dass bei diesen Alterungsprozessen insbesondere die Ubiquitylierung im alternden Gehirn eine drastische Veränderung erfährt. Die Ubiquitylierung ist eine chemische Modifikation, die Proteine markiert und damit deren Aktivität oder Abbau steuert. Bemerkenswert ist dabei die Entdeckung, dass eine Ernährungsumstellung einige dieser negativen molekularen Muster partiell rückgängig machen kann. Die kann beispielsweise eine kurzfristige Diät sein. Diese Erkenntnisse eröffnen somit neue Ansätze, um den Alternsprozess des Gehirns und die damit verbundenen Erkrankungen besser zu verstehen.

Wie das Altern die Proteine im Gehirn verändert

Proteine sind im Gehirn für lebenswichtige Aufgaben zuständig, indem sie den Stoffwechsel, die Signalübertragung und den Energiehaushalt in den Zellen steuern. Damit diese Proteine korrekt funktionieren können, müssen sie kontinuierlich abgebaut, erneuert oder chemisch modifiziert werden. Eine dieser entscheidenden Modifikationen ist die Ubiquitylierung, die als eine Art molekulares Etikett fungiert. Sie dient dazu, Proteine entweder für den Abbau zu markieren oder ihre Aktivität zu regulieren.

„Unsere Analysen haben gezeigt, dass sich mit dem Altern die Art und Weise, wie Proteine im Gehirn chemisch markiert werden, grundlegend verändert“, erklärt Dr. Alessandro Ori. „Der Ubiquitylierungsprozess wirkt wie ein molekularer Schalter – er bestimmt, ob ein Protein aktiv bleibt, seine Funktion ändert oder abgebaut wird. In alternden Gehirnen von Mäusen haben wir beobachtet, dass dieses fein abgestimmte System zunehmend aus dem Gleichgewicht gerät: Viele Markierungen sammeln sich an oder gehen sogar verloren, unabhängig davon, wie viel von einem bestimmten Protein überhaupt vorhanden ist.“

Das „Recyclingsystem“ der Zelle verliert seine Leistungsfähigkeit

Mit fortschreitendem Alter beginnt das interne „Recyclingsystem“ der Zelle zu schwächeln, da das Proteasom allmählich an Leistungsfähigkeit verliert. Das Proteasom ist die molekulare Maschine, die für den Abbau beschädigter oder unnötiger Proteine verantwortlich ist. Infolgedessen kommt es zu einer vermehrten Ansammlung von Proteinen im Gehirn, die bereits mit Ubiquitin zur Entsorgung markiert wurden, was ein klares Indiz für eine gestörte zelluläre Reinigungsmaschinerie ist. Die Forschenden konnten nachweisen, dass etwa ein Drittel der altersbedingten Veränderungen in der Ubiquitylierung von Gehirnproteinen direkt auf diesen Rückgang der Proteasomaktivität zurückzuführen ist.

„Unsere Daten zeigen, dass die verminderte Fähigkeit der Zellen, beschädigte Proteine vollständig zu beseitigen, ein zentraler Mechanismus des alternden Gehirns ist“, fassen Dr. Antonio Marino und Dr. Domenico Di Fraia zusammen. „Das empfindliche Gleichgewicht zwischen Proteinsynthese und -abbau verschiebt sich – ein typisches Merkmal der Zellalterung. Langfristig kann das auch die Funktion der Nervenzellen im Gehirn beeinträchtigen.“

Die Ernährung als Modulator – ein Lichtblick

Darüber hinaus untersuchten die Forschenden, inwieweit die festgestellten Ubiquitylierungsmuster durch eine Ernährungsumstellung beeinflusst werden könnten. Hierzu wurden ältere Mäuse vier Wochen lang einer moderaten Kalorienrestriktion unterzogen, bevor sie wieder zur normalen Ernährung zurückkehrten. Das überraschende Ergebnis: Die kurzzeitige Diät führte bei den Mäusen zu einer deutlichen Veränderung des Ubiquitylierungsmusters. Bei einigen Proteinen verschob es sich sogar wieder in Richtung des früheren, jugendlichen Zustands.

„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass auch im Alter die Ernährung noch einen wichtigen Einfluss auf molekulare Prozesse im Gehirn haben kann“, sagt Dr. Ori. „Allerdings wirkt sich die Ernährung nicht auf alle Alterungsprozesse im Gehirn gleichermaßen aus: Einige werden verlangsamt, während andere sich kaum verändern oder sogar zunehmen.“

Die Studie liefert somit neue, wichtige Erkenntnisse über die molekularen Mechanismen der Gehirnalterung. Sie deutet darauf hin, dass die Ubiquitylierung ein sensitiver Biomarker für Alterungsprozesse ist. Sie bietet möglicherweise einen Ansatzpunkt, um alternsbedingte Schäden an Nervenzellen zu verlangsamen. Langfristig könnte die vertiefte Erforschung dieser Prozesse dazu beitragen, den komplexen Zusammenhang zwischen neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, der Ernährung und dem Proteinhaushalt besser zu entschlüsseln.

Quelle

Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) (11/2025)

Publikation

Aging and diet alter the protein ubiquitylation landscape in the mouse brain. Marino A, Di Fraia D, Panfilova D, Sahu AK, Minetti A, Omrani O, Cirri E, Ori A. Nat Commun. 2025 Jun 6;16(1):5266. doi: 10.1038/s41467-025-60542-6.

Nach oben scrollen