Warum dominiert Materie gegenüber Antimaterie?

10. November 2025

Forschende der RWTH Aachen trugen zu einer bedeutenden internationalen Studie bei, die Licht auf eines der größten Rätsel des Universums wirft: Warum dominiert Materie gegenüber Antimaterie? Die Erkenntnisse stammen aus den zwei weltweit größten Neutrino-Experimenten.

Diese langjährigen, großangelegten Experimente haben präziser als je zuvor die Oszillation (Identitätsveränderung) der geheimnisvollen Neutrinos gemessen. Die gemeinsamen Ergebnisse deuten auf eine Lösung für das Problem der fehlenden Antimaterie im Universum hin und sind ein wichtiger Schritt zum Verständnis der kosmischen Entwicklung.

Ein Forschungsteam unter der Leitung von Professor Stefan Roth von der RWTH Aachen war maßgeblich am japanisch geführten T2K-Experiment beteiligt. Um die schwer fassbaren Neutrinos nachzuweisen und zu untersuchen, nutzten die Forschenden riesige Detektoren und Teilchenbeschleuniger, um hochfokussierte Neutrinostrahlen zu erzeugen.

Details zum T2K-Experiment und RWTH-Beitrag

Im T2K-Experiment wird an der Ostküste Japans ein hochintensiver Neutrinostrahl im J-PARC-Beschleunigerkomplex erzeugt. Dieser Strahl wird zunächst an einem Nahdetektor 280 Meter hinter dem Graphittarget vermessen. Anschließend wandern die Neutrinos 295 Kilometer durch die Erde zum Super-Kamiokande-Detektor. Das ist ein riesiger, 1.000 Meter unter der Erde liegenden Tank, gefüllt mit 50.000 Tonnen hochreinen Wassers. Das Team der RWTH Aachen war maßgeblich am Bau des Nahdetektorkomplexes beteiligt. Dessen Funktion ist entscheidend, da er die genaue Charakterisierung der Neutrinos nahe ihrer Entstehung ermöglicht. Das ist eine notwendige Voraussetzung, um ihre Oszillationen, die Hunderte von Kilometern entfernt gemessen werden, korrekt interpretieren zu können.

Neutrinos als Schlüssel zum Materie-Antimaterie-Rätsel

Obwohl Materie und Antimaterie beim Urknall vor etwa 14 Milliarden Jahren in gleichen Mengen entstanden sein sollten, ist die Antimaterie im heutigen Universum nahezu vollständig verschwunden. Dieses Ungleichgewicht, bekannt als Materie-Antimaterie-Asymmetrie, ist ein langjähriges wissenschaftliches Rätsel.

Die Neutrinos, die häufigsten massiven Teilchen im Universum, könnten den Schlüssel zur Lösung halten. Sie entstehen in enormen Mengen (etwa in der Sonne), interagieren aber kaum mit Materie. Bereits bekannt ist, dass Neutrinos zwischen drei sogenannten „Flavours“ oszillieren und dabei ihre Identität ändern – eine Entdeckung, die 2015 mit dem Nobelpreis gewürdigt wurde.

Die aktuelle Studie zielte darauf ab, diese Oszillationen deutlich präziser zu messen. Sie sind deshalb von großem Interesse, weil sie Aufschluss über die Symmetrie bzw. Asymmetrie zwischen Neutrinos und ihren Antimaterie-Gegenstücken, den Antineutrinos, geben. Jede beobachtete Asymmetrie in ihrem Verhalten könnte wichtige Hinweise auf die fehlende Antimaterie im Universum liefern.

Quelle

RWTH Aachen (10/2025)

Publikation

Joint Neutrino Oscillation Analysis from the T2K and NOvA Experiments
https://www.nature.com/articles/s41586-025-09599-3

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