Kuckuckseier präsentieren sich in einer erstaunlichen Farbvielfalt – von leuchtend blau über weiß bis hin zu gesprenkelt oder gestreift. Diese Farbpalette ist das Ergebnis eines evolutionären Wettlaufs mit über 100 Wirtsvogelarten, da der Kuckuck seine Eier heimlich in fremde Nester legt und sie den Wirtseiern ähneln müssen, um nicht entfernt zu werden. Da jedoch jedes Kuckucksweibchen auf eine bestimmte Färbung festgelegt ist, gibt es Hinweise darauf, dass beim Europäischen Kuckuck (Cuculus canorus) verschiedene Evolutionslinien existieren, die jeweils an spezifische Wirtsvogelarten angepasst sind.
Genetische Grundlagen und Artenerhalt
Ein internationales Team um die LMU-Evolutionsbiologen Justin Merondun und Jochen Wolf hat nun die genetischen Grundlagen dieser Anpassungen entschlüsselt und untersucht, wie der Kuckuck trotz dieser Spezialisierung eine einzige Art bleibt – denn die Anpassung an unterschiedliche Wirte könnte eine genetische Auseinanderentwicklung und Artbildung fördern. Für ihre Forschung analysierten die Wissenschaftler rund 300 Genome des Europäischen Kuckucks sowie 50 Genome des Orientalischen Kuckucks (Cuculus optatus), der östlichen Schwesternart, und prüften anschließend, welche Genvarianten mit der Eierfärbung assoziiert sind.
Vererbung über die W-Chromosom
„Die Frage war: Wie kann ein Kuckuck die passende Eierfarbe zuverlässig weitergeben?“, sagt Wolf. „Schließlich weiß ein Weibchen nicht, wie ihr eigenes Ei aussieht.“ Es wird vermutet, dass Kuckucksweibchen zur Eiablage in Nester jener Art zurückkehren, von der sie selbst aufgezogen wurden. Um die passende Eierfarbe genetisch abzusichern, wurde bereits in den 1930er-Jahren die Hypothese formuliert, dass die Vererbung über die mütterliche Linie erfolgt.
Die aktuellen Analysen bestätigen nun: Beim Europäischen Kuckuck wird die Grundfarbe der Eier fast ausschließlich über das weibliche Geschlechtschromosom (W-Chromosom) und die Mitochondrien vererbt. Die Musterung hingegen hängt stärker von autosomalen Genen ab, die von beiden Elternteilen stammen. Bei den untersuchten Orientalischen Kuckucken, deren Eier durchgängig weißlich-grün waren und sich nur in der Musterung unterschieden, konnte jedoch keine Vererbung über die mütterliche Linie festgestellt werden.
Vor- und Nachteile des W-Chromosoms
Die Vererbung über das W-Chromosom garantiert, dass Töchter stets Eier mit der Grundfarbe ihrer Mütter legen. Dies ist jedoch nicht optimal für neue Anpassungen, da die genetischen Variationsmöglichkeiten begrenzt sind und stärker von zufälligen Mutationen abhängen als bei autosomal vererbten Merkmalen. „Deshalb war es für uns eine spannende Beobachtung, dass offenbar ein Gen, das möglicherweise an der Eifärbung beteiligt ist, im Lauf der Evolution von den Autosomen auf das W-Chromosom „umgezogen“ ist“, so Wolf.
Genfluss bleibt erhalten
Die matrilineale Vererbung beeinflusst die Verteilung der gesamten genetischen Variation innerhalb einer Art. Betreffen Merkmalsvariationen beide Geschlechter, können Anpassungen an unterschiedliche Wirtsarten schnell zur Aufspaltung von Populationen und damit zur Artbildung führen. Im Fall des Kuckucks können sich die Weibchen jedoch frei mit beliebigen Männchen verpaaren, ohne die an ihren Wirt gebundene Anpassung zu verlieren. Dadurch wird der Genfluss über das restliche Genom aufrechterhalten. „Und das ist genau das, was wir beobachten: Die riesige Kuckuckspopulation über ganz Eurasien ist genetisch fast identisch“, betont Wolf.
Dieser evolutionäre Vorteil schützt den Kuckuck allerdings nicht vor den Gefahren der Gegenwart. Da sein Lebensraum schwindet, nehmen die Bestände des Kuckucks in vielen Regionen Europas deutlich ab. „Ohne intakte Lebensräume droht dieses faszinierende System vor unserer Haustür zu verschwinden“, warnt Wolf.
Quelle
Ludwig-Maximilians-Universität München (10/2025)
Publikation
J. Merondun et al.: Genomic architecture of egg mimicry and its consequences for speciation in parasitic cuckoos. Science 2025 https://www.science.org/doi/10.1126/science.adt9355