Funktionalere Leberzellen aus Stammzellen durch Genmodifizierung

31. Oktober 2025

Leberzellen sind für die Forschung unverzichtbar. Sie werden für Arzneimitteltests und zum besseren Verständnis von Krankheiten wie Hepatitis, Fettleber, Leberzirrhose oder Leberkrebs benötigt. Zudem sind sie wichtig für die Entwicklung zukünftiger Zelltherapien. Allerdings ist die Verfügbarkeit menschlicher Leberzellen aus Biopsien und Spenderorganen stark begrenzt. Die Forschung sucht daher dringend nach alternativen Quellen. Die Erzeugung von Hepatozyten (Leberzellen) aus pluripotenten Stammzellen bietet hierfür enormes Potenzial für Forschung und Therapien.

Bisher war jedoch nicht ausreichend erforscht, welche Prozesse Stammzellen dazu anregen, wie echte Leberzellen zu funktionieren. Eine aktuelle Studie des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung in Dortmund (IfADo) liefert nun einen wichtigen Hinweis: Das genregulatorische Netzwerk des DNA-Transkriptionsfaktors CDX2 spielt bei dieser Problemstellung eine entscheidende Rolle.

Darm und Leber: Zellen zeigen hybride Eigenschaften

Frühere Arbeiten der Forschungsgruppe „Regulatorische Netzwerke der Stammzelldifferenzierung (StemNet)“ unter der Leitung von Dr. Patrick Nell zeigten, dass die bisherigen Methoden zur Gewinnung von Hepatozyten aus Stammzellen ein Problem haben. Sie führen zur Entstehung sogenannter Hybridzellen. Diese Zellen weisen Eigenschaften sowohl von Leber- als auch von Darmzellen auf.

„Hepatozyten und Epithelzellen des Darmtraktes haben einen gemeinsamen Ursprung in der Embryonalentwicklung, da sich die Leber aus einem Teil des primitiven Darmtraktes entwickelt. In der späteren Entwicklung reifen die unterschiedlichen Zelltypen heran, was durch unterschiedliche Aktivitätsniveaus in den Gen-Netzwerken gesteuert wird, die mit den jeweiligen Zelltypen assoziiert sind”, erklärt Antonia Thomitzek. „Unsere begrenzte Kontrolle über diesen Prozess führt zur Bildung von Hybridzellen, die die Funktion physiologischer Leberzellen noch nicht getreu widerspiegeln.“

Die Forschungsgruppe hat nun herausgefunden, dass das CDX2-Netzwerk eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des hybriden Phänotyps von Stammzellen-Hepatozyten spielt. Dieses Netzwerk ist während der Leberzellbildung aus Stammzellen unerwartet aktiv. Durch das Ausschalten von CDX2 konnten die Forschenden die Entstehung unerwünschter Eigenschaften verhindern. Diese Eigenschaften sind typischer für Darmzellen als für reine Hepatozyten.

Genschere ermöglicht funktionalere Leberzellen

In ihrer aktuellen Studie nutzten die Forschenden das „Genschere“-System CRISPR-Cas9. Diese molekularbiologische Methode ermöglicht das selektive Ausschalten des CDX2-Gens. Wird CDX2 mit dieser Methode in den Stammzellen deaktiviert, wird die Entwicklung von darmtypischen Eigenschaften fast vollständig verhindert.

Stattdessen entwickeln die Zellen einen eindeutigen Leberphänotyp. Sie zeigen verbesserte Leberfunktionen. Dazu gehört die korrekte Bildung von Gallengängen sowie ein effizienterer Transport von Gallensäuren. Diese Merkmale sind für funktionelle Leberzellen von essenzieller Bedeutung.

„Das Verständnis der Einflüsse von Gen-Netzwerken auf die Entstehung der zellulären Identität ist grundlegend für die Entwicklung zuverlässiger Zell- und Gewebemodellsysteme auf Basis der Stammzelltechnologie“, erklärt Dr. Patrick Nell. „Auf diese Weise treiben wir die Forschung zu geeigneten Alternativen zu Tierversuchen und die verantwortungsvolle Entwicklung zukünftiger Zelltherapien voran.“

Diese Ergebnisse sind Teil des Projekts „HyCell“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 408.000 Euro gefördert wird und bis 2028 läuft. Sie stellen einen Meilenstein in der Weiterentwicklung der Stammzelltechnologie dar. Repräsentativere In-vitro-Systeme für die Leberforschung könnten die Arzneimittelentwicklung effizienter und sicherer gestalten. Zudem würden zukünftige Anwendungen in der regenerativen Medizin davon profitieren.

Quelle

Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (10/2025)

Publikation

Nell P., Thomitzek A., Feuerborn D. et. al. 2025. Elimination of CDX2 restricts intestinal hybrid differentiation signatures in stem cell-derived hepatocyte like cells. Stem Cell Research & Therapy 543. https://doi.org/10.1186/s13287-025-04696-6

Nell P., Kattler K., Feuerborn D. et. al. 2022. Identification of an FXR-modulated liver-intestine hybrid state in iPSC-derived hepatocyte-like cells. Journal of Hepatology. 77. https://doi.org/10.1016/j.jhep.2022.07.009

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