Ein autonomes Mikroskop

27. Oktober 2025

Ein Forschungsteam aus Indien, Dänemark und Jena hat die KI-Agentin AILA „Artificially Intelligent Lab Assistant“ entwickelt, die eigenständig komplette Experimente am Rasterkraftmikroskop (AFM) plant, durchführt und auswertet. AILA kalibriert das Mikroskop, wählt Betriebsmodi, analysiert Bilddaten und entscheidet bei Bedarf über Wiederholungen. Zur systematischen Überprüfung solcher Systeme veröffentlicht das Team zudem AFMBench, einen Benchmark mit 100 realen Laboraufgaben.

KI als Werkzeug – nicht als Ersatz

Laut Lothar Wondraczek, Professor für Glaschemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, ist AILA, obwohl sie Experimente autonom durchführt, kein Ersatz für Forschende. „Wir setzen KI als Werkzeug in der Wissenschaft ein, nicht als Wissenschaftler. Unser Ziel ist es, damit wieder mehr Zeit für kreative Tätigkeiten freizusetzen“, erklärt der Materialwissenschaftler. So organisiert diese KI eine Reihe spezialisierter Teilaufgaben – von der Gerätebedienung bis zur Datenauswertung – über ein mehrstufiges, modular aufgebautes System. „Die KI kann vollständige AFM-Experimente mit allen nötigen Arbeitsschritten autonom durchführen“, führt Wondraczek aus. „Dazu gehören etwa die Kalibrierung, die eigentliche Messung und die Auswertung der Ergebnisse.“

Internationale Zusammenarbeit

„Die Idee für AILA brachte Professor N. M. Anoop Krishnan vom Indian Institute of Technology in Delhi während eines Sabbaticals nach Jena“, erklärt Wondraczek und fasst zusammen: „Ohne die Förderung dieses Sabbaticals durch die Alexander-von-Humboldt-Stiftung wäre es wohl nicht zu diesem Durchbruch gekommen“. Gemeinsam mit weiteren Kollegen aus Aalborg (Dänemark) entstand so das Ziel, derartige agentische KIs nun auch in weiteren Laboraufgaben als autonome Assistenten einzusetzen.

Klare Grenzen: Sicherheit im Fokus

Die Zuverlässigkeit von KI-Agenten mit physischem Weltzugriff war eine zentrale Frage, die das Forschungsteam untersuchte. In ihrer Arbeit dokumentieren die Forschenden das Phänomen des „Schlafwandelns“: Dabei können KI-Agenten von ihrer ursprünglichen Anweisung abweichen und unautorisierte Schritte durchführen, die über die Nutzeranfrage hinausgehen. Ein Beispiel hierfür ist, dass die KI Bilder aufnimmt, obwohl lediglich eine Kalibrierung des Mikroskops angefordert wurde. Für autonome Laborprozesse ist es essenziell, dass die Systeme exakt das beabsichtigte Ziel verfolgen und nicht Handlungen ausführen, die nur zufällig „üblich“ sind. Die Implementierung enger Regeln und Sicherheitsmaßnahmen ist daher für den zukünftigen Einsatz solcher agentischer Systeme von entscheidender Bedeutung.

Nächster Schritt: Das autonome Labor

Die Arbeit ist Baustein auf dem Weg hin zu vernetzten, autonomen Laboren, in denen Synthese, Analytik und Datenauswertung zusammenlaufen. Ein übergeordneter Fokus der Jenaer Beteiligten ist derzeit der Aufbau von autonomen, energie- und ressourceneffizienten Werkzeugen zur Entwicklung neuartiger Gläser – vom Schmelzen von Rohstoffmischungen über die weitere Prozessführung bis hin zur Analytik der erhaltenen Materialien.

„Unser Ziel ist ein Labor, das Geräte und Prozessschritte selbstständig koordinieren kann – von der Probenherstellung über die Messung bis zur Auswertung. Das Beispiel der autonomen Mikroskopie ist ein Schritt auf diesem Weg, der uns Möglichkeiten bringt, aber auch neue Herausforderungen offenlegt“, sagt Wondraczek.

Quelle

Friedrich-Schiller-Universität Jena (10/2025)

Publikation

Evaluating large language model agents for automation of atomic force microscopy, Nature Communications (2025). DOI: 10.1038/s41467-025-64105-7, https://www.nature.com/articles/s41467-025-64105-7

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