Warum ApoE4 das Risiko für Alzheimer erhöht

23. Oktober 2025

Die Genvariante ApoE4 gilt seit langem als der wichtigste genetische Risikofaktor für die im Alter auftretende Alzheimer-Demenz, da Träger*innen im Vergleich zu Nicht-Träger*innen ein zwölfmal höheres Erkrankungsrisiko aufweisen. Im Gegensatz dazu scheint die häufigste, nah verwandte Variante ApoE3 die Anfälligkeit für die Krankheit nicht zu erhöhen, wobei der genaue Grund für diesen Unterschied bislang unklar war. Forschende des Max Delbrück Center und der Universität Aarhus haben nun entdeckt, wie ApoE4 die neuronale Funktion im alternden Gehirn beeinträchtigt. Eine aktuelle Studie enthüllt, dass Neuronen, die dem ApoE3-Protein ausgesetzt sind, langkettige Fettsäuren als alternative Energiequelle nutzen können, wenn Glukose knapp wird. Dieser lebenswichtige Stoffwechselweg ist jedoch im ApoE4-Gehirn blockiert.

„Die Fähigkeit, Glukose zu verwerten, nimmt im alternden Gehirn ab, sodass die Nervenzellen gezwungen sind, alternative Energiequellen zu nutzen“, erklärt Professor Thomas Willnow. „ApoE4 hindert die Neuronen anscheinend daran, Fette als alternative Energiequelle zu nutzen, wenn die Versorgung mit Glukose nachlässt.“

Experimente mit Mäusen und menschlichen Neuronen

Das Gehirn benötigt etwa ein Fünftel der gesamten Glukosezufuhr des Körpers; allerdings lässt seine Fähigkeit, diesen Zucker zu verstoffwechseln, mit zunehmendem Alter nach. Dieser Prozess ist sowohl Teil des normalen Alterns als auch der Alzheimer-Demenz und beginnt oft schon Jahre vor dem Auftreten der ersten Krankheitssymptome. ApoE, ein vom entsprechenden Gen kodiertes Apolipoprotein, wird im zentralen Nervensystem hauptsächlich von Astrozyten freigesetzt und ist essenziell für den Transport von Lipiden zu den Neuronen.

Um den Grund für die dramatische Risikoerhöhung durch die ApoE4-Variante im Vergleich zu ApoE3 zu klären, untersuchten die Erstautorinnen Dr. Anna Greda und Dr. Jemila Gomes in Zusammenarbeit mit den Technologieplattformen des Max Delbrück Center gentechnisch veränderte Mäuse, die das menschliche ApoE3- oder ApoE4-Gen trugen. Mithilfe dieses Mausmodells entdeckten die Forschenden, dass das ApoE3-Protein mit dem Rezeptor Sortilin interagiert, um Fettsäuren in die Nervenzellen zu befördern. Im Gegensatz dazu stört das ApoE4-Protein die Funktion von Sortilin und verhindert dadurch die Aufnahme dieser wichtigen Lipide in die Neuronen.

Im Anschluss daran untersuchten die Wissenschaftler*innen, ob die an Mäusen gewonnenen Ergebnisse auch auf das menschliche Gehirn übertragbar sind. Dafür nutzten sie aus menschlichen Stammzellen gezüchtete Neuronen und Astrozyten, die unterschiedliche ApoE-Genvarianten trugen. Das Team konnte in diesen kultivierten Zellen erneut feststellen, dass ApoE3 den Neuronen die Verstoffwechselung langkettiger Fettsäuren ermöglichte, während ApoE4 diese lebenswichtige Fähigkeit unterband.

„Mithilfe der transgenen Mausmodelle und der aus Stammzellen gewonnenen menschlichen Gehirnzellen-Modelle haben wir entdeckt, dass der Stoffwechselweg, über den Nervenzellen Lipide zur Energiegewinnung verbrennen, in Anwesenheit von ApoE4 nicht funktioniert. Denn diese ApoE-Variante blockiert den für die Lipidaufnahme erforderlichen Rezeptor auf den Nervenzellen“, fasst Greda die Studienergebnisse zusammen.

Neue Alzheimer-Therapien

„Unsere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass das Gehirn mit zunehmendem Alter in hohem Maße darauf angewiesen ist, für die Energiegewinnung von Glukose auf Lipide umschalten zu können“, fügt Gomes hinzu. „Menschen, die das ApoE4-Gen besitzen, sind dazu offenbar nicht in der Lage – was ihr Risiko für eine Unterversorgung und den Tod von Nervenzellen im Alter erhöht.“ Laut Gomes eröffnet die Studie neue Möglichkeiten für Interventionen, um die Nutzung von Lipiden als Energiequelle bei Träger*innen der ApoE4-Variante zu verbessern.

Willnow ergänzt, dass Medikamente zur Beeinflussung der Lipidverwertung bereits existieren und nun auf ihr Potenzial bei Menschen mit der ApoE4-Genvariante hin untersucht werden könnten. Die Forschenden konnten bereits nachweisen, dass die Behandlung von Neuronen mit der pharmakologischen Substanz Bezafibrat den Fettsäurestoffwechsel in den ApoE4 exprimierenden Zellen wiederherstellen kann. Willnow betont zwar, dass solche Medikamente klinisch getestet werden müssten, äußert sich jedoch zuversichtlich: „Ich bin aber zuversichtlich, dass unsere Forschung neue Behandlungsmöglichkeiten gegen diese verheerende Krankheit aufzeigen wird.“

Quelle

Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (10/2025)

Publikation

Anna Greda, Jemila Gomes, et al. (2025): „Interaction of sortilin with apolipoprotein E3 enables neurons to use long-chain fatty acids as alternative metabolic fuel“. Nature Metabolism, DOI:10.1038/s42255-025-01389-5
https://www.nature.com/articles/s42255-025-01389-5

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