Eine neue Studie eines Teams des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB) und der Humboldt-Universität zu Berlin hat gezeigt, dass die Infrarot-Vibrationsspektroskopie an der Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II die Erstellung hochaufgelöster molekularer Karten von lebenden Zellen und Zellorganellen in ihrer natürlichen wässrigen Umgebung ermöglicht.
Das Verfahren nutzt die Nano-IR-Spektroskopie mit SNOM (Scanning Near-field Optical Microscopy), die ideal für die Untersuchung winziger biologischer Proben ist, da sie Infrarotbilder der Molekülschwingungen mit Nanometer-Auflösung erzeugen kann. Darüber hinaus ist es sogar möglich, dreidimensionale Informationen, sogenannte Infrarot-Tomogramme, zu gewinnen. Zur Demonstration und Validierung der Methode züchtete das Forschungsteam Fibroblasten auf einer hochtransparenten Siliziumkarbid (SiC)-Membran und untersuchte diese Zellen in vivo. Diese Technik verspricht, neue und detaillierte Einblicke in die Zellbiologie zu liefern.
Nano-IR-Spektroskopie an BESSY II enthüllt lebende Zellen mit beispielloser Auflösung
Die Infrarot-Mikrospektroskopie ist eine zerstörungsfreie Methode zur Charakterisierung biologischer Gewebe und Zellen. Durch den Einsatz eines infrarotstreuenden Nahfeld-Optikmikroskops (s-SNOM) können selbst kleinste Probenvolumina analysiert werden. Damit kann man umfassende Informationen über die molekulare Zusammensetzung, Struktur und Wechselwirkungen mit einer räumlichen Auflösung von bis zu 10 nm gewinnen.
Das für diese Methode notwendige hochbrillante Infrarotlicht wird von der IRIS-Beamline an der Synchrotronquelle BESSY II bereitgestellt. In einer aktuellen Studie demonstrierte ein Team unter der Leitung von Dr. Alexander Veber (HZB) und Prof. Dr. Janina Kneipp (HUB) die Wirksamkeit dieser Technik. Sie zeichneten die Schwingungsspektren lebender Fibroblasten-Zellen in ihrer flüssigen Umgebung auf. Fibroblasten spielen eine wichtige Rolle beim Aufbau von Bindegewebe und der Produktion von Kollagen.
Die Innovation der Studie lag insbesondere darin, dass das Team erstmals eine ultradünne Siliziumkarbidmembran verwendete. Diese Membran diente als biokompatible Schutzschicht zwischen den Zellen und ihrem flüssigen Medium sowie der Sondenspitze des s-SNOM-basierten Infrarot-Nanoskops, das die molekularen Schwingungen erfasst.
Molekulare Kartierung lebender Zellen: Neue IR-Methode liefert detaillierte Einblicke
Die Anwendung der neuen Methode lieferte bemerkenswerte Ergebnisse. Dr. Alexander Veber erklärt: „Wir konnten nicht nur den Zellkern und die Zellorganellen sichtbar machen, sondern es gelang uns auch, anhand der erfassten Schwingungsspektren die einzelnen Beiträge von Proteinen, Nukleinsäuren, Kohlenhydraten und Membranlipiden auszulesen.“ Diese detaillierte molekulare Analyse war vor allem dadurch möglich, dass die verwendete Siliziumkarbidmembran eine hohe Transparenz für Infrarotlicht aufweist. Die beobachtete Zellstruktur im Nanobereich bestätigte die Wirksamkeit der neuen Methode, da die dargestellte Heterogenität der Zellen mit den bekannten zellbiologischen Gegebenheiten übereinstimmt.
Zusätzlich konnten sie durch die Variation von Messparametern steuern, wie tief in der Probe die Signale erfasst werden. „So konnten wir verschiedenen Schichten untersuchen. Dies ebnet den Weg für die Infrarot-Nanotomographie von Zellen, d. h. eine detaillierte 3D-Visualisierung der Zellstruktur und -zusammensetzung“, sagt Veber. Standardisierte 2D- und 3D-Schwingungsbildgebung und -spektroskopie könnten somit schnellere Fortschritte in der Biophysik und bei Nanomaterialien ermöglichen.
„Diese Methode erlaubt es, biologische Proben und Flüssig-Fest-Grenzflächen viel genauer zu analysieren, als dies bisher möglich war“, sagt Veber. „Im Prinzip könnten wir damit jede Art von Zellen untersuchen, auch Krebszellen.“ Die neue Entwicklung steht ab sofort auch allen Nutzergruppen der IRIS-Beamline zur Verfügung.
Quelle
Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH (10/2025)
Publikation
Small (2025): Nano-infrared imaging and spectroscopy of animal cells in liquid environment
Alexander Veber, Cecilia Spedalieri, Janina Kneipp
DOI: 10.1002/smll.202507097
https://doi.org/10.1002/smll.202507097