Zellen in einem Tumorgewebe kommunizieren miteinander und die Art dieser Kommunikation sowie die beteiligten chemischen Signale sind entscheidend für das Verständnis und die Behandlung von Krebs. Das Verständnis der zellulären Vorgänge auf kleinster Ebene ist zentral für eine präzise Krebsdiagnose und die Auswahl der richtigen Therapie. Innovative Methoden, die Veränderungen auf Einzelzell-Ebene sichtbar machen, versprechen schnellere, präzisere Diagnosen und gezieltere Therapien, was die Behandlungsergebnisse verbessern könnte.
Ein Forschungsteam des Instituts für Hygiene der Universität Münster hat in diesem Bereich einen wichtigen Fortschritt erzielt. Die Forscher entwickelten eine neue Messmethode, die die Fluoreszenzmikroskopie erstmals direkt mit der bildgebenden MALDI-Massenspektrometrie kombiniert. Diese Technik ermöglicht es, die chemischen Profile einzelner, benachbarter Zellen in Gewebeproben auf demselben Schnittraster zu bestimmen. Das ist mit einer sehr hohen räumlichen Auflösung von etwa einem tausendstel Millimeter möglich. Mithilfe dieser Methode hat das Team bislang verborgene, unterschiedliche Stoffwechselmuster zwischen benachbarten Zellen in Tumorgeweben aufgedeckt. Diese erstmals sichtbaren Stoffwechselunterschiede einzelner Zellen liefern wichtige Informationen über den Krebs und stellen einen bedeutenden Fortschritt für die künftige Diagnose und Therapie dar.
„Zum ersten Mal können wir fluoreszenzbasiert Zelltypen identifizieren und diese im Gewebe-Kontext mit ihrer chemischen Signatur zusammenbringen. Chemische Unterschiede und Wechselwirkungen auf Einzelzell-Ebene sind erkennbar“, sagt Erstautor Dr. Alexander Potthoff. Dies sei relevant, da das Zusammenspiel von Krebszellen, umgebenden Zellen und eindringenden Immunzellen in Tumoren oft über den Verbleib oder die Ausbreitung der Erkrankung entscheidet.
Neue Methode kombiniert Fluoreszenzmikroskopie und hochauflösende Massenspektrometrie
Die bildgebende MALDI-Massenspektrometrie stellt eine zentrale Technik dar, um Moleküle aus Gewebe mittels Laser zu lösen und deren Masse zu bestimmen. Auf diese Weise können Forschende umfassende Informationen über Metaboliten und Zellwandbestandteile gewinnen. Um die Nachweisempfindlichkeit zu steigern, da ein Massenspektrometer nur geladene Teilchen erfasst, wird ein zweiter Laser zur sogenannten Nachionisation eingesetzt. Die MALDI-2-Technik verbessert die Sensitivität für zahlreiche wichtige Molekülklassen erheblich.
Die nun vorgestellte Methode aus Münster kombiniert diese Technik mit zwei weiteren entscheidenden technischen Optimierungen: Zum einen wird die inverse Bestrahlungsgeometrie, auch Transmissionsmodus genannt, genutzt, um die räumliche Auflösung zu erhöhen. Zum anderen ist ein Fluoreszenzmikroskop direkt in das Massenspektrometer integriert. Die Kombination dieser Elemente – verstärkt durch eine optimierte Probenpräparation – ermöglicht es, fluoreszenzbasierte Messungen, beispielsweise auf Proteinbasis, unmittelbar mit der massenspektrometrischen Analyse des Metaboloms und Lipidoms zu verknüpfen – und das am exakt gleichen Gewebeschnitt.
„Das kombinierte Verfahren könnte zahlreiche etablierte Techniken der Fluoreszenzmikroskopie unterstützen. Besonders profitieren dürften Forscherinnen und Forscher in der Grundlagenforschung, beispielsweise in der Zellbiologie, Immunologie und Tumorbiologie“, sagt Dr. Jens Soltwisch. Klinisch ist eine ergänzende, schnelle Analyse von Biopsien denkbar, um Therapieentscheidungen zu unterstützen. Längerfristig besteht laut Prof. Dr. Klaus Dreisewerd noch mehr Potenzial: „Mit weiteren technischen Verbesserungen könnte die räumliche Auflösung in den Bereich von wenigen hundert Nanometer vordringen, so dass sogar einzelne Zellorganellen wie innerzelluläre Lipidtröpfchen, Vesikel oder Synapsen auf ihre chemische Zusammensetzung hin untersucht werden könnten.“ Auf längerer Sicht helfen solche Erkenntnisse, neue Wirkstoffe zu entwickeln und die Gesundheitssysteme effizienter zu machen.
Quelle
Publikation
Potthoff, A., Schwenzfeier, J., Niehaus, M. et al. Spatial biology using single-cell mass spectrometry imaging and integrated microscopy. Nat Commun 16, 9129 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-64603-8