Eisbohrkern aus dem Mont-Blanc-Massiv enthält Klimaarchiv der letzten 12.000 Jahre

16. Oktober 2025

Ein Eisbohrkern vom Dôme du Goûter des Mont-Blanc-Massivs, geborgen 1999, dient als einzigartiges, intaktes Archiv vergangener klimatischer Bedingungen. Ein internationales Forschungsteam, darunter Wissenschaftler der Universität Heidelberg, hat diesen etwa 40 Meter langen Kern erstmals umfassend datiert. Sie kombinierten hierfür die Radiokarbonmethode mit einem quantenphysikalischen Verfahren zur Datierung jüngerer Eisschichten. Die Analysen bestätigten, dass das Eis Klima- und Umweltinformationen der vergangenen 12.000 Jahre – bis zum Ende der letzten Eiszeit – enthält. Damit ist es das erste Klimaarchiv aus Eis der europäischen Alpen, das so weit in die Vergangenheit zurückreicht.

Ältestes Gletschereis der Alpen datiert

Gletschereis und polare Eisschilde entstehen durch jährliche Schneeschichten und speichern dadurch umfassende Umweltinformationen der Vergangenheit. Während polare Kerne bis zu 800.000 Jahre zurückreichen, ist alpines Gletschereis laut Prof. Dr. Werner Aeschbach von der Universität Heidelberg meist nur einige tausend Jahre alt. Der nun datierte Eisbohrkern aus den französischen Alpen liefert der Wissenschaft erstmals eine kontinuierliche Chronologie alpinen Eises, die das gesamte Holozän und sogar das Ende der letzten Kaltzeit vor über 12.000 Jahren umfasst. Aufschluss über die vergangenen Umweltbedingungen geben die stabilen Isotope des Wassers sowie im Eis eingeschlossene Staubteilchen und Aerosole.

Kombinierte Isotopenanalyse datiert alpinen Eisbohrkern

Zur umfassenden Datierung des Kerns nutzte das Forschungsteam erstmals eine Kombination aus zwei Verfahren zur Zählung radioaktiver Isotope. Für Eisschichten, die älter als 1.000 Jahre sind, wurde die etablierte C-14-Methode verwendet. Jüngere Schichten wurden mittels der Atom Trap Trace Analysis (ATTA) datiert, einem quantenphysikalischen Verfahren, das den Nachweis des extrem seltenen Isotops Argon-39 ermöglicht. Prof. Werner Aeschbach (Universität Heidelberg) betont, dass erst die Verbindung beider Methoden es erlaubte, die im Eis gespeicherten Informationen verlässlich zeitlich einzuordnen und zu interpretieren. Er entwickelte ATTA für Ar-39 in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Markus Oberthaler.

Eisbohrkern enthüllt 3°C Temperaturanstieg und Vegetationswandel der Alpen

Die Analyse der Wasserisotope im Eisbohrkern zeigt einen Temperaturanstieg von 3∘C zwischen der späten letzten Eiszeit und der heutigen Warmperiode des Holozäns (gemessen als Sommertemperaturen). Die Konzentration von Phosphor im Eis dient als Indikator für Veränderungen der Vegetation und deutet auf eine Ausbreitung der Wälder nach dem Ende der Eiszeit hin, begünstigt durch das wärmere Klima. Da alpine Eisschilde näher an menschlichen Lebensräumen liegen als polare, erlauben die Daten des Kerns auch Rückschlüsse auf die Entwicklung moderner Gesellschaften im späten Holozän. So zeigen sie beispielsweise die Rodung von Wäldern infolge von Landnutzung und Industrialisierung.

Klima-Aerosole im Alpengletscher: Winde und Saharastaub

Die Forschenden interessieren sich besonders für die im Eis eingelagerten Meersalz- und Staubkonzentrationen, da diese Aerosole die Sonnenstrahlung beeinflussen und somit das regionale Klima mitgestalten. Die Analysen zeigen eine Abnahme des Meersalzgehalts nach der letzten Eiszeit, was auf abflauende Winde vor Westeuropa hindeutet.

Anders als von früheren Klimamodellen angenommen, war die Staubkonzentration während der Eiszeit nicht nur doppelt, sondern etwa achtmal höher als im Holozän. Ein möglicher Grund dafür sind vermehrt auftretende Staubwolken aus der Sahara, die auch heute noch eine Hauptquelle für Staub in Europa darstellen.

Quelle

Karlsruher Institut für Technologie (10/2025)

Publikation

Jeffry Setiadi, Frank Biedermann, Werner M. Nau, Michael K. Gilson: Thermodynamics of Water Displacement from Binding Sites and its Contributions to Supramolecular and Biomolecular Affinity. Angewandte Chemie International Edition, 2025. doi/10.1002/anie.202505713.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.202505713

Nach oben scrollen