Warmes Eis im Röntgenlaser

14. Oktober 2025

Eiscreme ist in vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen erhältlich. Interessanterweise existiert jedoch auch reines Eis, das ausschließlich aus Wassermolekülen besteht, in mehr als 20 unterschiedlichen festen Formen oder Phasen. Diese Phasen unterscheiden sich in der Anordnung der Moleküle und werden mit römischen Ziffern benannt, wie etwa Eis I, Eis II oder Eis III. Kürzlich ist es Forschenden unter der Leitung von Wissenschaftlern des Korea Research Institute of Standards and Science (KRISS) gelungen, eine neue Phase zu identifizieren und zu beschreiben, die sie Eis XXI nennen.

Die neuen Erkenntnisse basieren auf Experimenten, die am European XFEL, dem weltweit größten Röntgenlaser, sowie an der Hochenergie-Photonenquelle Petra III von DESY durchgeführt wurden. Strukturell unterscheidet sich das neu entdeckte Eis XXI von allen zuvor beobachteten Eisphasen. Es entsteht, indem Wasser bei Raumtemperatur schnell zu überkomprimiertem Wasser zusammengepresst wird. Diese Phase ist metastabil, was bedeutet, dass sie eine gewisse Zeit lang bestehen kann, obwohl unter den herrschenden Bedingungen eigentlich eine andere Eisform stabiler wäre. Die Entdeckung liefert somit wichtige Aufschlüsse darüber, wie sich Hochdruck-Eis bildet.

Wie schnelle Kompression die Bildung von Eisphasen beeinflusst

Obwohl Wasser – H2​O – nur aus zwei Elementen besteht, zeigt es im festen Zustand eine bemerkenswerte Komplexität. Die meisten Phasen dieses Eises können nur unter Bedingungen von hohem Druck und niedrigen Temperaturen existieren. Die Forschungsergebnisse des Teams liefern nun neue und wichtige Aufschlüsse darüber, wie sich diese verschiedenen Eisphasen bilden und wie sie sich in Abhängigkeit vom Druck verändern. „Durch schnelle Kompression bleibt Wasser auch bei höheren Drücken flüssig, bei denen es eigentlich bereits zu Eis VI kristallisieren müsste“, erklärt KRISS-Wissenschaftler Geun Woo Lee. Besonders faszinierend ist Eis VI, da angenommen wird, dass es im Inneren von Eismonden wie dem Titan und Ganymed vorkommt. Seine stark verzerrte Struktur könnte komplexe Übergangswege ermöglichen, die zu metastabilen Eisphasen führen.

Der Einsatz von Diamantstempelzellen für extreme Druckexperimente

Da die meisten Eisvarianten nur unter extremen Bedingungen existieren, erzeugten die Forschenden hohe Drücke mithilfe sogenannter Diamantstempelzellen. Dabei wird die Probe – in diesem Fall Wasser – zwischen zwei Diamanten platziert, welche aufgrund ihrer Härte extrem hohen Druck aufbauen können. Das Wasser wurde unter Drücken von bis zu zwei Gigapascal untersucht, was ungefähr dem 20.000-fachen des normalen Luftdrucks entspricht. Unter diesen Bedingungen bildet sich bereits bei Raumtemperatur Eis, dessen Moleküle allerdings viel dichter gepackt sind als beim normalen Eis.

Um die Eisbildung unter verschiedenen Druckbedingungen zu beobachten, erzeugten die Forschenden zunächst innerhalb von nur 10 Millisekunden (ein Tausendstel einer Sekunde) einen hohen Druck von zwei Gigapascal – und zwar mit einer Kompressionsrate von 120 Gigapascal pro Sekunde. Anschließend entspannten sie die Stempelzelle über einen Zeitraum von einer Sekunde. Hierfür nutzten sie einen piezoelektrischen Antrieb, der die Eigenschaft piezoelektrischer Materialien ausnutzt, sich bei Anlegen eines elektrischen Feldes auszudehnen oder zusammenzuziehen.

Röntgenblitze und Diamantstempelzellen zeigen neue Kristallstrukturen

Während dieser Zyklen nutzte das Team die Röntgenblitze des European XFEL, um jede Mikrosekunde (jede Millionstel Sekunde) Bilder der Probe aufzunehmen. Dank der extrem hohen Röntgenpulsrate konnten die Forschenden, ähnlich wie mit einer Hochgeschwindigkeitskamera, Filme erstellen, die zeigen, wie sich die Eisstrukturen bilden. In einem anschließenden Folgeexperiment an der Beamline P02.2 bei PETRA III stellten sie fest, dass Eis XXI eine tetragonale Kristallstruktur besitzt, die aus überraschend großen Elementarzellen aufgebaut ist. Elementarzellen sind die sich wiederholenden Grundeinheiten in Kristallen.

„Mit den einzigartigen Röntgenpulsen des European XFEL haben wir mehrere Kristallisationswege in Wasser entdeckt, das mit einer dynamischen Diamant-Stempelzelle in rascher Folge über 1000 Mal komprimiert und dekomprimiert wurde“, erklärt Lee. „In unserer speziellen Druckzelle werden Proben zwischen den Spitzen zweier gegenüberliegender Diamanten zusammengedrückt und können entlang eines vordefinierten Druckpfades komprimiert werden“, erklärt Cornelius Strohm.

„Die Struktur, in der flüssiges Wasser kristallisiert, hängt vom Grad der Überkompression der Flüssigkeit ab“, sagt Lee. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es bei hohen Temperaturen möglicherweise eine größere Anzahl von metastabilen Eisphasen und damit verbunden Übergangswege gibt, die neue Einblicke in die Zusammensetzung von Eismonden bieten könnten“, fügt Rachel Husband hinzu.

Sakura Pascarelli erklärt: „Es ist fantastisch, ein weiteres großartiges Ergebnis aus unserem Water Call zu sehen, einer Initiative, die Forschende dazu einlädt, innovative Studien zum Thema Wasser vorzuschlagen. Wir freuen uns auf viele weitere spannende Entdeckungen in der Zukunft.“

Quelle

European XFEL GmbH (10/2025)

Publikation

Lee et al. (2025) Multiple freezing-melting pathways of high-density ice through a new metastable ice phase at room temperature. Nature Materials, https://www.nature.com/articles/s41563-025-02364-x
DOI: https://doi.org/10.1038/s41563-025-02364-x

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