Blut ist eine wertvolle Informationsquelle. Es enthält tausende Eiweiße (Blutproteine), die Aufschluss über den Gesundheitszustand eines Menschen sowie mögliche Entzündungen, Gerinnungsstörungen oder Organfunktionen geben können.
Problem der Datenvergleichbarkeit
Trotz der Tatsache, dass moderne Labortechnologien heute enorme Datenmengen liefern, besteht ein großes Problem: Die Ergebnisse aus unterschiedlichen Studien sind kaum vergleichbar. Verschiedene Methoden und Probenstandards verhindern bisher, dass die Daten zu einem großen Ganzen zusammengefügt werden können. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Universitätsmedizin Greifswald hat nun ein Konzept entwickelt, um die Analyse von Blut weltweit vergleichbar zu machen.
„Einheitliche Standards können helfen, Krankheiten frühzeitig zu erkennen oder genau zu erfassen, wie bestimmte Therapien wirken“, betont Prof. Uwe Völker, Abteilungsleiter der Funktionellen Genomforschung. Die bisherige Proteomik – also die Erforschung aller Proteine, die in einer Zelle oder einem Organismus vorliegen – ähnle einer Sammlung von Inseln. Unterschiedliche Instrumente, Messmethoden und Probenstandards führen zu heterogenen Datensätzen. „Jede Studie mit ihren jeweiligen Standards und Ergebnissen ist für sich zwar wertvoll“, so Völker, „doch die Ergebnisse sind kaum miteinander vergleichbar.“ Zudem erschwere es die Anwendung proteomischer Erkenntnisse im klinischen Bereich.
Das Forschungsteam hat sich zum Ziel gesetzt, die mangelnde Vergleichbarkeit in der Blutproteomforschung zu beheben. In ihrer jüngsten Publikation präsentierten die Wissenschaftler:innen dazu ein standardisiertes Framework.
Das Framework für die Blutproteomforschung
Dieses neue Rahmenwerk soll die Vergleichbarkeit von Forschungsergebnissen durch den gezielten Einsatz von Referenzproben sicherstellen. Der große Vorteil des entwickelten Konzepts ist dessen Technologieunabhängigkeit: Es kann als Standardkontrolle auf allen gängigen wissenschaftlichen Plattformen verwendet werden. „In unserer Arbeit schlagen wir zwei Arten von Referenzmaterialien vor“, erklärt Völker, „zum einen das sogenannte donor-basierte Plasma, das aus Blutspenden verschiedener Bevölkerungsgruppen zusammengestellt wird, und zum anderen synthetische Proben, die gezielt hergestellte Proteine oder Peptide enthalten.“
Solche Standards würden künftig mit jeder Analyse parallel gemessen. So können Ergebnisse aus unterschiedlichen Laboren, Technologien und Studien miteinander abgeglichen werden. „Mit Referenzproben bauen wir also Brücken und schaffen eine gemeinsame Basis“, hebt der Biologe hervor.
Vorteile der Standardisierung in der Medizin
Die Einführung dieser Standards hat einen direkten Einfluss auf die Patientenversorgung. Zum einen erleichtern die neuen Standards die Suche nach neuen Biomarkern. Biomarker sind messbare Indikatoren im Blut, die wichtige Hinweise auf den Gesundheitszustand von Patientinnen und Patienten liefern können. Damit spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Früherkennung bestimmter Erkrankungen, wie beispielsweise Alzheimer. Zum anderen ermöglicht die verbesserte Vergleichbarkeit eine personalisiertere Anwendung von Therapien. Anhand von Biomarkern im Blut lässt sich erkennen, ob ein Patient auf ein bestimmtes Medikament anspricht oder ob eine alternative Behandlung erfolgversprechender ist.
„Das ist Medizin der Zukunft“, betont Prof. Karlhans Endlich, Wissenschaftlicher Vorstand der Unimedizin Greifswald. Denn für die Patientinnen und Patienten bedeuten die einheitlichen Standards präzisere, frühere und individuell zugeschnittene Diagnosen und Therapien – „und damit eine personalisierte Medizin, die weit über die heutigen Standard-Bluttests hinausgeht.“ Prof. Uwe Völker ergänzt: „Langfristig könnten so auch künstliche Intelligenzen mit vergleichbaren Datensätzen trainiert werden und Ärzte weltweit bei Diagnosen und Prognosen unterstützen.“
Quelle
Informationsdienst Wissenschaft e. V. / Universität Greifswald (10/2025)
Publikation
A standardized framework for circulating blood proteomics
Nature Genetics
https://www.nature.com/articles/s41588-025-02319-7