Neuentdeckter Antikörper blockiert fast alle bekannten HIV-Varianten in Neutralisationstests

8. Oktober 2025

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität zu Köln hat einen Antikörper entdeckt, der das Potenzial besitzt, die Bekämpfung von HIV deutlich zu verbessern. Der neu identifizierte Antikörper mit dem Kürzel 04_A06 erwies sich in Labortests als besonders wirksam: Er konnte 98,5 Prozent von über 300 verschiedenen HIV-Stämmen neutralisieren. Damit zählt er zu den breit wirksamsten HIV-1 Antikörpern, die bisher bekannt sind. Die Suche nach solch einem Antikörper ist eine große Herausforderung, da sich das HI-Virus ständig verändert und viele Antikörper daher nur wenige Virusvarianten blockieren können.

In Versuchen mit humanisierten Mäusen – Tieren, deren Immunsystem dem menschlichen nachgebildet wurde – zeigte 04_A06 eine dauerhafte Wirkung: Er senkte die HI-Viruslast auf nicht mehr nachweisbare Werte. Dies ist ein entscheidender Vorteil, da die meisten anderen HIV-1 Antikörper in diesem Tiermodell nur kurzfristige Effekte erzielen, da sich schnell Resistenzen entwickeln.

Entdeckung bei „Elite-Neutralisierern“

Für die aktuelle Studie untersuchten die Forschenden Blutproben sogenannter „Elite-Neutralisierer“ – Personen, deren Immunsystem das Virus besonders effektiv bekämpft. Antikörper sind Eiweißmoleküle des Immunsystems, die Krankheitserreger gezielt angreifen. Aus mehr als 5.000 einzelnen B-Lymphozyten dieser Spender wurden über 800 Antikörper isoliert und auf ihre Wirksamkeit getestet. Der Antikörper 04_A06 ragte dabei heraus: Er übertraf alle anderen in seiner Potenz und Breite der Wirkung in Neutralisationstests.

„Mit 04_A06 haben wir einen Antikörper entdeckt, der nicht nur außergewöhnlich breit wirkt, sondern auch klassische Resistenzmechanismen des Virus überwindet. Damit könnte sich ein vielversprechender Ansatz für die klinische Anwendung von Antikörpern gegen HIV eröffnen“, sagt Dr. med. Lutz Gieselmann.

Ursache der breiten Wirksamkeit

Eine wichtige Besonderheit von 04_A06 wurde bei der Untersuchung seiner Struktur sichtbar: Der Antikörper besitzt eine ungewöhnlich lange Aminosäure-Kette. Diese wirkt wie ein zusätzlicher „Greifarm“, der es dem Antikörper ermöglicht, Epitope (Bindungsstellen) am Virus zu erreichen, die normalerweise schwer zugänglich sind. Diese schwer zugänglichen Regionen sind für das Virus vermutlich stark konserviert, d.h., es kann sie nur schwer verändern, ohne seine eigene Funktionsfähigkeit zu verlieren. Dies erklärt, warum 04_A06 seine antiviralen Eigenschaften auch gegenüber Fluchtmutationen in der CD4-Bindestelle beibehält. Solche Mutationen führen bei anderen Antikörpern dieser Klasse häufig zu einem Wirkungsverlust.

Potenzial für Therapie und Prävention

Neben den Labortests setzten die Wissenschaftler:innen Computermodelle ein, um die Schutzwirkung von 04_A06 einzuschätzen. Die Modelle prognostizierten, dass eine einmalige Gabe des Antikörpers in klinischen Anwendungen eine Schutzwirkung von über 93 Prozent bieten könnte. Insgesamt bieten die antiviralen Eigenschaften von 04_A06 einen vielversprechenden Ansatz sowohl für die Behandlung von Menschen, die mit HIV leben, als auch für die Prävention bei Risikogruppen. Der Antikörper 04_A06 wurde exklusiv an Vir Biotechnology, Inc. lizenziert.

Professor Dr. Florian Klein betont die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit: „Für den Erfolg dieser Arbeit war die enge Kooperation mit Studienzentren in Afrika, Nepal und den USA entscheidend. Der nächste Schritt ist, die Sicherheit und Wirksamkeit des Antikörpers in klinischen Studien weiter zu prüfen und so den Weg in die Patientenversorgung vorzubereiten.“

Quelle

Universität zu Köln (10/2025)

Publikation

Profiling of HIV-1 elite neutralizer cohort reveals a CD4bs bNAb for HIV-1 prevention and therapy“
Nature Immunology
https://www.nature.com/articles/s41590-025-02286-5

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