Giftiges Styroloxid in attraktive Verbindung umwandeln

7. Oktober 2025

Selvapravin Kumaran, Doktorand in der Arbeitsgruppe Mikrobielle Biotechnologie von Prof. Dr. Dirk Tischler an der Ruhr-Universität Bochum, hat den genauen Mechanismus entschlüsselt, durch den das bakterielle Membranenzym Styroloxid-Isomerase in der Lage ist, giftige Verbindungen in Wertstoffe umzuwandeln. Diese neuen Erkenntnisse sind vielversprechend, da sie es künftig ermöglichen könnten, das multifunktionelle Enzym gezielt in weiteren biotechnologischen Reaktionen einzusetzen. Ziel ist dabei die Herstellung industriell attraktiver Verbindungen aus kostengünstigen Vorläufern. „Enzyme sind ein mächtiges Werkzeug, das unser Leben umweltfreundlicher gestalten kann“, sagt Dirk Tischler.

Ein Enzym mit bisher unerforschtem Mechanismus

Die bakterielle Styroloxid-Isomerase ist der Wissenschaft seit über drei Jahrzehnten bekannt. Bislang wurde ihr Wirkmechanismus noch nicht aufgeklärt. „Die Arbeit mit diesem Enzym ist schwierig, da es in der Membran des bakteriellen Zellsystems verankert ist“, sagt Dirk Tischler. Sein Team konnte die Rolle der Aminosäure Tyrosin bei der Umwandlung des toxischen Styroloxids durch die seltene Meinwald-Umlagerung aufdecken.

Präzise abgestimmte Architektur des Enzyms

Frühere Strukturanalysen hatten bereits gezeigt, dass das Enzym Styroloxid-Isomerase ein Eisen-haltiges Häm enthält, welches für die Katalyse der Reaktion verantwortlich ist. In ihrer aktuellen Studie enthüllen die Forschenden nun, dass das Enzym eine sehr strenge und präzise Architektur besitzt. Diese besteht aus dem Eisen-haltigen Häm und zwei spezifischen Aminosäuren, nämlich Tyrosin und Asparagin, die exakt positioniert sind, um die chemische Reaktion zu ermöglichen. Durch den gezielten Austausch dieser Aminosäuren und den Einsatz moderner biochemischer Methoden konnte das Team nachweisen, dass die funktionelle Gruppe des Tyrosins eine entscheidende Rolle bei der Umlagerung des Substrats spielt und somit den gesamten Prozess vorantreibt.

„Dieses winzige Enzym nutzt die seltene Chemie der Meinwald-Umlagerung, um selektiv Phenylacetaldehyd zu erzeugen – gesteuert durch die Architektur seines aktiven Zentrums“, erklärt Dirk Tischler. „Bislang war die katalytische Rolle der Styroloxid-Isomerase nur eine Hypothese. Unsere Arbeit liefert den ersten experimentellen Beweis dafür, wie dieses Enzym auf molekularer Ebene funktioniert“, sagt Selvapravin Kumaran, Erstautor der Arbeit.

Enzymatische Vielseitigkeit

Das detaillierte Verständnis des katalytischen Mechanismus führte die Forschenden zur Entdeckung weiterer Potenziale dieses Enzyms. Die Styroloxid-Isomerase kann nämlich auch für andere Zwecke eingesetzt werden, ähnlich wie Enzyme, die in der Textilindustrie zum Bleichen von Farbstoffen dienen. Das Enzym ist demnach potenziell in der Lage, Wasserstoffperoxid zu entgiften und kann außerdem direkt aus Styrol – dem Vorläufer von Styroloxid im bakteriellen Styrolabbau – das wertvolle Produkt Phenylacetaldehyd herstellen.

Obwohl diese zusätzlichen Aktivitäten derzeit noch als vergleichsweise ineffizient gelten, könnte die Multifunktionalität der Styroloxid-Isomerase in Zukunft gezielt genutzt werden. Dies würde ermöglichen, das Enzym für industrielle Anwendungen weiterzuentwickeln und somit hochwertige Produkte aus preiswerten Substraten wie Styrol zu gewinnen. „Das Potenzial dieses Enzyms geht weit über die Produktion von Phenylacetaldehyd hinaus – es könnte eine Vielzahl verschiedener Reaktionen antreiben. Deshalb werden wir seine Möglichkeiten weiter erforschen“, plant Dirk Tischler.

Quelle

Ruhr-Universität Bochum (10/2025)

Publikation

Selvapravin Kumaran et al.: Role of the active site tyrosine and the heme in styrene oxide isomerase’s natural isomerase and unnatural peroxidase and peroxygenase activity, in ACS Catalysis, 2025, DOI: 10.1021/acscatal.5c05395, https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acscatal.5c05395

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