Nebenwirkungen und Wechselwirkungen vorhersagen
"Wenn wir besser verstehen, wie genau Wirkstoffe in den Zellstoffwechsel eingreifen, liesse sich die Medikamentenentwicklung beschleunigen", erklärt Prof. Dr. Mattia Zampieri. "Unser Verfahren liefert eine zusätzliche Charakterisierung der Substanzen, aus der sich mögliche Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ableiten lassen."Die Forschenden unter der Leitung von Studienerstautor Dr. Laurentz Schuhknecht ließen Zellen in Tausenden von kleinen Vertiefungen auf Zellkulturplatten wachsen. Anschließend behandelten sie die Zellen in jeder Vertiefung mit jeweils einer von über 1500 Substanzen aus einer Wirkstoffbibliothek. Mithilfe einer Methode namens Massenspektrometrie erfassten sie, wie sich Tausende von Biomolekülen, die Teil des Zellstoffwechsels sind, durch die Behandlung veränderten. Das Forschungsteam sammelte für jeden Wirkstoff Daten zu den Veränderungen von über 2000 Stoffwechselprodukten in den Zellen. Diese Werte wurden dann durch computergestützte Analysen mit den Werten unbehandelter Zellen verglichen. Auf diese Weise entstand für jeden Wirkstoff eine Übersicht seiner Auswirkungen auf den Zellstoffwechsel, was ein präzises Bild des Wirkprinzips der jeweiligen Substanz ermöglichte.
Neue Anwendungen für bewährte Medikamente
"Wirkstoffe beeinflussen viel mehr, als wir es uns vorgestellt hatten", fasst Zampieri die Ergebnisse der Experimente zusammen. Bemerkenswert waren insbesondere auch bisher unbekannte Wirkprinzipien von gängigen Medikamenten. Beispielsweise entdeckte das Team eine bisher unbekannte Wirkung von Tiratricol, einem Medikament, das bei einer seltenen Funktionsstörung der Schilddrüse zum Einsatz kommt. Neben seiner bekannten Wirkweise hat Tiratricol auch einen Effekt auf die Produktion von bestimmten DNA-Bausteinen."Das Medikament wäre also womöglich ein guter Kandidat für ein neues Anwendungsgebiet: die Regulation der Biosynthese von DNA-Bausteinen. Damit könnte es beispielsweise in Krebstherapien verwendet werden, um das Tumorwachstum zu hemmen", sagt Laurentz Schuhknecht.
Die umfassenden Daten aus solchen Hochdurchsatzverfahren helfen, künstliche Intelligenz für das Design neuer Medikamente zu trainieren. "Unsere langfristige Vision ist, das individuelle Stoffwechselprofil eines Patienten oder einer Patientin mit den Wirkmechanismen Tausender Wirkstoffkandidaten abzustimmen, um herauszufinden, welches Medikament den durch die Krankheit veränderten Stoffwechsel normalisieren könnte", so Mattia Zampieri.
Um dieser Vision näher zu kommen, sei es nicht nur wichtig, die Wirkung der Substanzen auf den Stoffwechsel zu verstehen, betont der Pharmakologe Zampieri. Genauso wichtig sei, wie der menschliche Körper die Wirkstoffe verarbeitet und damit ihre Wirkung verändert. In ihrer weiteren Forschung untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deshalb vertieft das Wechselspiel zwischen Organismus und Wirkstoffen.
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Quelle: Universität Basel (01/2025)