Ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Jörg Kudla von der Universität Münster hat entscheidende Komponenten und Mechanismen der molekularen Maschinerie entdeckt, die die Information über einen Schädlingsbefall innerhalb des pflanzlichen Organismus weiterleitet. Eine zentrale Rolle spielt dabei ein kalziumaktiviertes "Kinase-Tandem". Pflanzenschädlinge wie Bakterien und Pilze verursachen in der Landwirtschaft erhebliche Ertragseinbußen. Um neue Strategien zur Bekämpfung solcher Krankheitserreger zu entwickeln, ist das Verständnis der pflanzlichen Immunantwort von großer Bedeutung.
Die Studie liefert auch Hinweise darauf, wie Pflanzen Immunsignale von Zelle zu Zelle übertragen können, ohne andere Signalketten in den betroffenen Zellen zu stören. Bei einem Befall durch Krankheitserreger reagieren Pflanzen mit einer zweiphasigen Immunantwort, die zunächst lokal an der befallenen Stelle auftritt und sich dann im gesamten Organismus ausbreitet. Dadurch werden auch bislang nicht betroffene Pflanzenteile auf eine mögliche Bedrohung vorbereitet.
In diesem Prozess spielen Kalziumsignale eine wesentliche Rolle, die durch Gewebeschädigungen ausgelöst und von Zelle zu Zelle weitergeleitet werden. Darüber hinaus setzen die Zellen mithilfe einer NADPH-Oxidase (einem Enzym in der Zellmembran) reaktive Sauerstoffspezies ("Sauerstoffradikale") als zusätzliche Signalmoleküle frei, die im Zusammenspiel mit den Kalziumsignalen die systemische Ausbreitung der Immunantwort ermöglichen. Das Zusammenspiel von Kalzium und Sauerstoffradikalen sowie die Regulation der NADPH-Oxidase durch kalziumabhängige Phosphorylierungen waren bisher nicht vollständig verstanden.
Das Team um Jörg Kudla hat erstmals nachgewiesen, dass zwei unterschiedliche Kinasen, die beide durch Kalzium aktiviert werden, zusammenarbeiten müssen, um eine effektive Ausbreitung des Immunsignals zu ermöglichen. Dieses "Kinase-Tandem" erhöht die Empfindlichkeit der NADPH-Oxidase gegenüber Kalziumsignalen und ermöglicht eine synergistische Aktivierung dieses Enzyms, wodurch die Produktion von Sauerstoffradikalen gesteigert wird. Während eine der beiden kalziumabhängigen Kinasen bereits bekannt war, identifizierte das Team die zweite im Rahmen der nun veröffentlichten Studie. "Ein derartiges kalziumaktiviertes Kinase-Tandem wurde bisher noch nie beschrieben", betont Jörg Kudla.
Auf Grundlage ihrer Beobachtungen entwickelten die Biologen ein Modell zur Ausbreitung der Immunantwort in Pflanzen: Wenn ein Krankheitserreger aktiv wird, wird zunächst eine dritte Kinase innerhalb der betroffenen Zelle aktiviert, die dafür sorgt, dass diese Zelle extrazelluläre Sauerstoffradikale produziert, welche in benachbarte Zellen diffundieren. Dieser Teil des Prozesses war bereits bekannt. Das Team konnte nun zeigen, dass diese Sauerstoffradikale in den Nachbarzellen nicht nur neue Kalziumsignale auslösen, sondern auch das kalziumabhängige Kinase-Tandem aktivieren, was wiederum die Freisetzung von Sauerstoffradikalen anregt.
Dies führt erneut zu einem Kalziumeinstrom in die benachbarten Zellen. Auf diese Weise breitet sich das Signal aus, ohne dass die betroffenen Zellen direkt mit dem Krankheitserreger in Kontakt kommen. "Überraschenderweise konnten wir beobachten, dass das sich ausbreitende Kalziumsignal relativ schwach ist und trotzdem ausreicht, um über das Kinase-Tandem die NADPH-Oxidase zu aktivieren. Es findet also eine Sensibilisierung dieses Enzyms statt. Die molekularen Ursachen dieser Sensibilisierung haben wir aufgeklärt", sagt Jörg Kudla. "Darüber hinaus vermuten wir, dass die Sensibilisierung es ermöglicht, dass sich dieses schwache Kalziumsignal von Zelle zu Zelle ausbreiten kann, ohne dabei andere Signalketten, die ebenfalls von Kalzium abhängen, in den Zellen zu stören." Wie genau die Zellen die Stärke des Kalziumsignals regulieren, ist bislang nicht bekannt.
Für ihre Studien kombinierte das Team verschiedene molekulargenetische, zellbiologische und biochemische Methoden. Die Ausbreitung von Kalziumsignalen in Geweben wurde in transgenen Pflanzen der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) untersucht, wobei Biosensorproteine für Kalzium mittels hochauflösender Mikroskopie analysiert wurden. Zusätzlich verwendeten die Forscher menschliche Zellkulturen, um den pflanzlichen Signalweg nachzubauen.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=14509
Quelle: Universität Münster (01/2025)
Publikation:
Philipp Köster, Gefeng He, Changyun Liu et al. (2025): A bi-kinase module sensitizes and potentiates plant immune signalling. Science Advances, Vol 11, Issue 4; https://doi.org/10.1126/sciadv.adt9804
Donnerstag, den 30. Januar 2025 um 04:27 Uhr