Offene Fragen zur Rolle alter viraler DNA
Transponierbare Elemente, die Überreste alter viraler DNA, werden in den ersten Stunden und Tagen nach der Befruchtung reaktiviert. In dieser dynamischen Phase der frühen Entwicklung zeigen embryonale Zellen eine bemerkenswerte Plastizität, deren molekulare Mechanismen und steuernde Faktoren jedoch noch nicht vollständig verstanden sind. Studien an Mausmodellen deuten darauf hin, dass transponierbare Elemente eine zentrale Rolle für diese zelluläre Plastizität spielen, doch es bleibt unklar, ob dies für alle Säugetierarten gilt. Zudem werfen die unterschiedlichen evolutionären Ursprünge dieser viralen Überreste Fragen zu ihrer Erhaltung in Säugetiergenomen auf. Das Verständnis der Mechanismen zur Aktivierung transponierbarer Elemente ist entscheidend für Fortschritte in der Reproduktionsmedizin und das Verständnis der Genomregulation.Reaktivierung urzeitlicher viraler Elemente in Embryonen
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Maria-Elena Torres-Padilla bei Helmholtz Munich und der LMU untersuchte alte DNA-Sequenzen mithilfe einer neu entwickelten Methode zur Analyse ihrer Transkription. Sie erstellten einen Einzel-Embryo-Atlas, indem sie Embryonen verschiedener Säugetierarten, darunter Maus, Kuh, Schwein, Kaninchen und Rhesusaffe, verglichen. Dabei fanden sie heraus, dass sehr alte virale Elemente, die zuvor als inaktiv galten, in Säugetierembryonen reaktiviert werden. Zudem zeigte sich, dass jede untersuchte Art unterschiedliche Typen dieser Elemente exprimiert.Neue Ansätze für Genmanipulation und Forschung zur Zellplastizität
Diese Erkenntnisse zeigen, dass die Aktivierung transponierbarer Elemente evolutionär konserviert ist. Die Identifizierung spezifischer Elemente eröffnet faszinierende Möglichkeiten, tausende von Genen gleichzeitig in Zellen zu manipulieren. "Dieser Ansatz bietet eine innovative Möglichkeit, das Schicksal von Zellen zu beeinflussen, etwa durch die Steuerung der Differenzierung von Stammzellen, was typischerweise die gleichzeitige Manipulation von hunderten Genen erfordert", erklärt Dr. Marlies Oomen, Mitautorin der Studie. "Unsere Arbeit verdeutlicht, wie essenziell das Verständnis der regulatorischen Prinzipien hinter transponierbaren Elementen ist."Prof. Torres-Padilla ergänzt: "Unsere Forschung zeigt, dass die Aktivierung transponierbarer Elemente ein charakteristisches Merkmal der frühen Embryonalstadien mehrerer Säugetierarten ist. Diese Entdeckung ist bedeutsam, da Zellen in diesem frühen Stadium die Fähigkeit besitzen, sich in alle Zelltypen des Körpers zu differenzieren. Wenn wir verstehen, wie diese Zellen alte virale Elemente regulieren, gewinnen wir wertvolle Einblicke in die Mechanismen der zellulären Plastizität. Unsere Studie bildet die Grundlage für zukünftige Forschungen zu spezifischen regulatorischen Elementen, mit weitreichenden Auswirkungen auf Gesundheit, Krankheiten und die Beeinflussung zellulärer Prozesse."
Einzigartiger Datensatz zur frühen Entwicklung verschiedener Säugetierarten
Die Studie hat nicht nur eine neue Methodik für die Einzelzell- und Embryonenforschung entwickelt, sondern auch einen einzigartigen Datensatz hervorgebracht. Während die meisten Untersuchungen zur frühen Embryonalentwicklung sich auf eine einzelne Spezies, meist Maus oder Mensch, konzentrieren, verfolgte diese Studie einen evolutionären Ansatz und verglich mehrere Säugetierarten. Dadurch konnten zentrale regulatorische Wege identifiziert werden, die über verschiedene Spezies hinweg geteilt werden. Die biologischen Erkenntnisse dieser Forschung sowie der umfassende Datensatz bieten eine wertvolle Ressource für Forschende in der Entwicklungs- und Reproduktionsbiologie.Den Artikel finden Sie unter:
https://www.helmholtz-munich.de/newsroom/news/artikel/alte-virale-dna-praegt-die-fruehe-embryonalentwicklung
Quelle: Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH) (01/2025)
Publikation:
Oomen, Rodriguez-Terrones et al., 2025: An atlas of transcription initiation reveals regulatory principles of early mammalian development. Cell. DOI: 10.1016/j.cell.2024.12.013