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Samstag, den 18. Januar 2025 um 04:45 Uhr

Wie tickt HIV?

Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg und der Universität Regensburg hat neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie HIV-1, das AIDS verursachende Virus, die zelluläre Maschinerie des Wirts kapert, um zu überleben. Durch die Analyse der molekularen Wechselwirkungen zwischen dem Virus und den Wirtszellen identifizierten die Wissenschaftler:innen Strategien, mit denen HIV-1 seine Vermehrung sichert und gleichzeitig die Abwehrmechanismen des Wirts unterdrückt. Da HIV-1 keine eigenen Proteine herstellen kann, dringt es in Wirtszellen ein und übernimmt den Translationsprozess zur Proteinbildung aus mRNA. Die Studie kombinierte Ribosomen-Profiling, RNA-Sequenzierung und RNA-Strukturanalysen, um die virale und zelluläre Translation sowie Pausen in der viralen Vermehrung detailliert zu kartieren. Neva Caliskan, die korrespondierende Autorin und ehemalige Gruppenleiterin am HIRI, leitet derzeit die Abteilung für Biochemie III an der Universität Regensburg.

Cheat Codes der viralen Translation

Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie war die Entdeckung bislang unbekannter Elemente in der viralen RNA, namentlich vorgelagerte offene Leseraster (uORFs) und interne offene Leseraster (iORFs). Diese Sequenzen in der DNA haben das Potenzial, für Proteine zu kodieren. Diese "versteckten Genfragmente" könnten entscheidend zur Kontrolle der Produktion viraler Proteine beitragen und die Interaktion mit dem Immunsystem des Wirts beeinflussen. "uORFs und iORFs können als Regulatoren wirken, die eine präzise Steuerung und ein genaues Timing der Proteinsynthese sicherstellen", erläutert Anuja Kibe, Postdoktorandin am HIRI und Erstautorin der Studie.

Ein weiterer wichtiger Befund der Studie war die Entdeckung einer komplexen RNA-Struktur in der Nähe einer kritischen Stelle der Leserasterverschiebung im viralen Genom. Diese Stelle ist entscheidend für die korrekte Produktion der beiden Schlüsselproteine Gag und Gag-Pol, die für die Bildung infektiöser Partikel und die Vermehrung von HIV-1 notwendig sind. Die Forschenden zeigten, dass diese RNA-Faltung nicht nur Ribosomenkollisionen stromaufwärts der Stelle fördert, was offenbar die Translation reguliert, sondern auch die Effizienz der Leserasterverschiebung aufrechterhält. "Unser Team konnte außerdem nachweisen, dass die gezielte Ansprache dieser RNA-Struktur mit Antisense-Molekülen die Effizienz der Leserasterverschiebung um nahezu 40 Prozent reduzieren kann, was eine vielversprechende Grundlage für die Entwicklung antiviraler Medikamente bietet", sagt Neva Caliskan.

Spiel der Prioritäten

Redmond Smyth, Gruppenleiter am Centre National de Recherche Scientifique (CNRS) in Straßburg, erläutert: "Interessanterweise zeigte unsere Analyse, dass die HIV-1-mRNAs zwar während der gesamten Infektion effizient in Proteine translatiert werden, das Virus aber die Proteinproduktion des Wirts unterdrückt, insbesondere zu Beginn der Translation." Auf diese Weise kann HIV-1 seine eigenen Bedürfnisse priorisieren und gleichzeitig die Abwehrmechanismen des Wirts lahmlegen. Dies ermöglicht dem Virus eine geschickte Manipulation der Wirtszellmaschinerie auch unter Stressbedingungen.

Mehr als nur Verkehrsstaus

Weiterhin beobachteten die Forschenden, dass Ribosomen an bestimmten Regionen der viralen RNA kollidieren, insbesondere stromaufwärts der Leserasterverschiebungsstelle. "Diese Kollisionen sind nicht zufällig, sondern streng regulierte Pausen, die möglicherweise beeinflussen, wie Ribosomen mit nachgelagerten RNA-Strukturen interagieren", sagt Florian Erhard, Mitautor der Studie und Inhaber des Lehrstuhls für Computational Immunology an der Universität Regensburg.
Diese Studie liefert nicht nur eine detaillierte Karte des translationalen Geschehens in HIV-1-infizierten Zellen. Sie bietet auch eine Fülle potenzieller Zielstrukturen für therapeutische Interventionen. Die Identifikation von RNA-Strukturen und genetischen Elementen, die für die virale Replikation entscheidend sind, eröffnet neue Möglichkeiten zur Entwicklung von Medikamenten, die darauf abzielen, diese Prozesse zu stören. Neva Caliskan ergänzt: "Wenn wir besser verstehen, wie das Virus unsere Zellen geschickt manipuliert, können wir innovative Therapien entwickeln, die eines Tages den Spieß umdrehen und das Virus selbst austricksen könnten."


Den Artikel finden Sie unter:

https://www.uni-regensburg.de/newsroom/presse/mitteilungen/index.html?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_p...

Quelle: Universität Regensburg (01/2025)


Publikation:
Kibe A, Buck S, Gribling-Burrer AS, Gilmer O, Bohn P, Koch T, Mireisz CN, Schlosser A, Erhard F, Smyth RP, Caliskan N
The translational landscape of HIV-1 infected cells reveals key gene regulatory principles
Nature Structural & Molecular Biology (2025), DOI: 10.1038/s41594-024-01468-3
https://doi.org/10.1038/s41594-024-01468-3


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