Reptilien haben unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten
Reptilien weisen heute eine Vielzahl von Ernährungspräferenzen auf, von Pflanzen- bis zu Fleischfressern, einschließlich spezialisierter Arten wie Algen fressende Meerechsen und insektenfressende Chamäleons. Diese Vielfalt erschwert die Rekonstruktion der Ernährungsgewohnheiten ausgestorbener Tiere, erklärt Paläontologe Prof. Dr. Thomas Tütken von der JGU. Die ältesten bekannten Vorfahren heutiger Reptilien lebten vor über 300 Millionen Jahren, wobei Hylonomus, das früheste bekannte Reptil, vor etwa 315 Millionen Jahren im heutigen Kanada lebte. Frühere Reptilien zeigen häufig Merkmale, die auf eine insektenfressende Ernährung hindeuten, doch der genaue Zeitpunkt des Wechsels zu Fleisch- und Pflanzenfressern bleibt unklar.28 Reptilienarten als Basis für den geochemischen Referenzrahmen
Der Referenzrahmen zur Rekonstruktion der Ernährung ausgestorbener und lebender Wirbeltierarten wurde von Tütkens Gruppe entwickelt, indem sie 28 lebende Reptilienarten untersuchten und Kalzium- sowie Strontiumisotope in deren Knochen und Zähnen analysierten. Dabei wurden Reptilien mit ausgeprägtem pflanzen- oder tierfressendem Verhalten sowie Nahrungsspezialisten wie Alligatoren, Warane, Leguane und Chamäleons ausgewählt. Besonders bei Kalzium wurden die Isotope Kalzium-44 und Kalzium-42 bestimmt, wobei festgestellt wurde, dass das Verhältnis von Kalzium-44 zu Kalzium-42 mit jedem Schritt in der Nahrungskette abnimmt. "Das heißt, Insektenfresser weisen die höchsten Werte auf und unterscheiden sich deutlich von anderen Ernährungskategorien", sagt Dr. Michael Weber, Erstautor der Studie. In der Rangliste folgen Pflanzenfresser und Fleischfresser mit dem niedrigsten Isotopenverhältnis. Besondere Ernährungsweisen etwa von marinen Leguanen oder von Eierfressern können ebenfalls detektiert werden.Die Ergebnisse zeigen für das Isotopenverhältnis von stabilem Strontium-88 zu Strontium-86 derselben Arten ein vergleichbares Bild, liefern aber noch verfeinerte Informationen über die Ernährung. "Wir haben erstmals einen umfangreichen Referenzrahmen für stabile Strontiumisotope als Ernährungsproxy erstellt. Er deckt sich weitgehend mit den aus den Kalziumisotopen bestimmten Ernährungsformen", sagt Dr. Katrin Weber, Mitautorin und ehemalige Doktorandin der AG Tütken. "Allerdings sind im Gegensatz zu Kalzium von Strontium nur sehr geringe Mengen in Zähnen oder Knochen enthalten, die der Veränderung bei Bodenlagerungsprozessen unterliegen, sodass die Anwendung bei Fossilien ausgestorbener Arten zum Teil problematisch ist und Kalzium hier eine bessere Perspektive bietet."
Ein weiteres Ergebnis der Analysen zeigt, dass das Kalziumisotopenverhältnis für Reptilien im Vergleich zu Säugetieren bei gleicher Ernährungsweise höher ist, was möglicherweise auf verschiedene physiologische Faktoren zurückzuführen ist. Dies deutet darauf hin, dass die Daten für Säugetiere nicht ohne Weiteres zum Vergleich mit ausgestorbenen Reptilienarten wie Dinosauriern verwendet werden können.
Mechanische Abnutzungsspuren an den Zähnen liefern zusätzliche Ernährungshinweise
Zusätzlich zu den chemischen Nahrungsspuren wurden mechanische Abnutzungsspuren an den Zähnen als weiterer Baustein für zukünftige Rekonstruktionen herangezogen. Diese Kratzspuren auf der Zahnoberfläche ermöglichen es, zwischen hartem und weichem Futter zu unterscheiden und liefern somit weitere Informationen über die Ernährung ausgestorbener Arten. Die entsprechenden Daten wurden in Zusammenarbeit mit Dr. Daniela Winkler an Zähnen moderner Reptilien erhoben und mit Isotopendaten kombiniert. Dadurch können Tierfresser, die abrasive Hartgewebe wie Schalen oder Knochen konsumieren, von solchen unterschieden werden, die überwiegend Weichgewebe fressen.Thomas Tütken fasst zusammen: "Um die Daten chemischer und mechanischer Nahrungsspuren von fossilen Exemplaren vollständig zu verstehen und zu interpretieren, mussten wir zunächst heute lebende, eng verwandte Arten mit ihren bekannten Ernährungsgewohnheiten untersuchen. So haben wir einen Referenzrahmen für den Vergleich und die genaue Zuordnung der Ernährung erhalten, damit wir in Zukunft das Ernährungsverhalten ausgestorbener Arten noch präziser rekonstruieren können". Der Wissenschaftler hat 2016 einen ERC Consolidator Grant für sein Forschungsprojekt zur Ernährung der ersten Landwirbeltiere erhalten, mit dem auch die jetzt vorgelegte Arbeit unterstützt wurde.
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https://presse.uni-mainz.de/pflanzenfresser-oder-fleischfresser-neues-instrumentarium-fuer-erforschung-ausgestorbener-reptilien/
Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz (01/2025)
Publikation:
Michael Weber, Katrin Weber et al.
Calcium and strontium isotopes in extant diapsid reptiles reflect dietary tendencies – a reference frame for diet reconstructions in the fossil record
Proceedings of the Royal Society B, 8. Januar 2025
DOI: 10.1098/rspb.2024.2002
https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rspb.2024.2002