Möchten Pflanzenzüchter widerstandsfähige und hochwertige Nutzpflanzen erzeugen, kreuzen sie häufig Pflanzen verschiedener Arten, um erwünschte Eigenschaften zu übertragen. Das vorzeitige Absterben der Hybridsamen stellt sie dabei jedoch vor Hindernisse. Grund dafür ist eine Fortpflanzungsbarriere, die oft verhindert, dass eng verwandte Arten lebensfähige Samen miteinander produzieren können. Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie bietet Einblicke in diese Herausforderung, indem sie kleine RNA-Moleküle als Schlüsselmoleküle in diesem Prozess identifiziert. Diese Erkenntnisse könnten den Weg für eine erfolgreichere Hybridisierung in der Zukunft ebnen.
Wenn sich Hybridsamen nicht entwickeln, liegt der Grund oft im Endosperm - einem Gewebe in Pflanzensamen, das den heranwachsenden Embryo mit Nährstoffen versorgt, ähnlich wie die Plazenta den Embryo von Säugetieren ernährt. Ohne eine korrekte Entwicklung des Endosperms können die Samen nicht überleben. Eine neue Studie unter der Leitung der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Claudia Köhler hat bei der Erforschung der Familie der Kreuzblütler, zu der Senf, Brokkoli, Raps und andere wichtige Nutzpflanzen gehören, eine entscheidende Entdeckung gemacht. Die Studie zeigt einen engen Zusammenhang zwischen der Überlebensfähigkeit von Hybridsamen und einem Mangel an mütterlichen kleinen RNA. Diese kleinen Moleküle werden von der Mutterpflanze auf das Endosperm übertragen und steuern die Genaktivität im Endosperm. Wenn die Genexpression in einem Samen abnormal ist, kommt die Entwicklung des Samens zum Stillstand, was schließlich zu seinem Absterben führt.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Dosierung der mütterlicherseits bereitgestellten kleinen RNA darüber entscheiden kann, ob ein Hybridsamen wächst oder nicht“, erklärt Dr. Katarzyna Dziasek, die Hauptautorin der Studie. „Indem wir die Menge dieser RNA-Moleküle kontrollieren, können wir möglicherweise die Überlebenschancen von Hybridsamen verbessern und die Barrieren überwinden, die lange Zeit eine erfolgreiche Kreuzung zwischen zwei verschiedenen Pflanzenarten verhindert haben.“
Interessanterweise ist dieser Mechanismus nicht nur bei Pflanzen zu finden. Ein ähnliches Phänomen, bekannt als Hybriddysgenese, tritt bei Fruchtfliegen auf. In diesem Fall schützen kleine RNAs der Mutter vor genetischen Störungen, die auftreten können, wenn das genetische Material des Vaters zu stark abweicht. Sowohl bei Pflanzen als auch bei Tieren spielen die mütterlichen kleinen RNAs also eine zentrale Rolle bei der Bestimmung der Artenkompatibilität bei der Hybridisierung. Wie diese kleinen RNAs entstehen und von der Mutterpflanze auf das Endosperm übertragen werden, sind Schlüsselfragen, die derzeit im Labor von Claudia Köhler am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie untersucht werden.
Diese Forschung eröffnet neue Ansätze für Pflanzenzüchter, die Überlebenschancen von Hybridsamen und damit auch die Übertragung nützlicher Eigenschaften zwischen Arten zu verbessern. Durch das Verständnis der molekularen Mechanismen, die dem Absterben von Hybridsamen zugrunde liegen, können Züchter möglicherweise widerstandsfähigere Pflanzen entwickeln, die Umweltbelastungen besser standhalten, den Ertrag steigern und die Erhaltung der Artenvielfalt unterstützen.
Den ganzen Artikel finden Sie unter:
https://www.mpimp-golm.mpg.de/2775949/news_publication_23714345_transferred?c=4084
Quelle: Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie (11/2024)
Publikation:
Katarzyna Dziasek, Juan Santos-González, Kai Wang, Yichun Qiu, Jiali Zhu, Diana Rigola, Koen Nijbroek, Claudia Köhler
Dosage sensitive maternal siRNAs determine hybridization success in Capsella
Nature plants, 11. November, 2024, doi: https://www.nature.com/articles/s41477-024-01844-3
Donnerstag, den 14. November 2024 um 04:20 Uhr