Analyse von Partikeln des Asteroiden Ryugu liefert überraschende Ergebnisse |
Eine kleine Landekapsel brachte im Dezember 2020 Bodenpartikel vom Asteroiden Ryugu zur Erde – Material aus den Anfängen unseres Sonnensystems. Gesammelt hatte die Proben die japanische Raumsonde Hayabusa 2. Geowissenschaftler Prof. Frank Brenker und sein Team von der Goethe-Universität Frankfurt gehörten zu den weltweit ersten Forschenden, die die wissenschaftlich kostbaren Proben wortwörtlich durchleuchten durften. Dabei entdeckten sie Bereiche mit starker Anreicherung von Seltenen Erden und unerwartete Strukturen.
Das Team um Frank Brenker ist weltweit führend in einer Methode, die
es erlaubt, vollkommen zerstörungsfrei und ohne aufwendige
Probenvorbereitung Material in allen drei Raumrichtungen auf seine
chemische Zusammensetzung hin zu untersuchen – und zwar mit einer
Auflösung von weniger als 100 Nanometern. Die Auflösung gibt den
kleinsten wahrnehmbaren Unterschied zwischen zwei Messwerten an. Der
ausführliche Name der Methode lautet „Synchrotron Radiation induced
X-Ray Fluorescence Computed Tomography“, kurz SR-XRF-CT.
Japan
hatte Ryugu (deutsch: Drachenpalast) als Ziel einer Sonde ausgewählt,
weil es sich um einen Asteroiden handelt, der wegen seines hohen
Kohlenstoffgehalts versprach, besonders viele Informationen über die
Entstehung des Lebens in unserem Sonnensystem zu liefern. Die Analysen
der Forschenden unter Beteiligung der Frankfurter Wissenschaftler an 16
Partikeln zeigen nun, dass Ryugu aus CI-Material besteht, das in seiner
chemischen Zusammensetzung der Sonne äußerst ähnlich ist. Von diesem
CI-Material wurde bisher auf der Erde nur selten etwas gefunden –
Material, von dem unklar war, wie stark es durch den Eintritt in die
Erdatmosphäre sowie den Aufprall auf der Erde verändert oder
verunreinigt wurde. Außerdem bestätigen die Analyse die Annahme, dass
Ryugu von einem Mutterasteroiden stammt, der sich im äußeren Sonnennebel
bildete.
Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass es bedingt
durch die niedrigen Temperaturen bei der Entstehung des CI-Materials in
der Frühzeit des Sonnensystems kaum Materialtransport innerhalb des
Asteroiden gab und damit auch kaum eine Chance für die massive
Anreicherung von Elementen. Die Frankfurter Forschenden fanden jedoch
mittels SR-XRF-CT in einem der Körner des Asteroiden eine feine Ader aus
Magnetit – einem Eisenoxid-Mineral – und Hydroxylapatit, einem
phosphathaltigen Mineral. Andere Wissenschaftler-Gruppen ermittelten,
dass sich die Struktur und andere Magnetit-Hydroxylapatit-Bereiche in
den Ryugu-Proben bei einer überraschend niedrigen Temperatur von unter
40 Grad Celsius gebildet haben müssen. Diese Erkenntnis ist wesentlich
für die Interpretation nahezu aller Ergebnisse, die die Untersuchung der
Ryugu-Proben erbracht haben und noch erbringen werden.
Das Team
von Frank Brenker wies in Hydroxylapatit-haltigen Bereichen der Proben
zudem Metalle der Seltenen Erden nach – eine Gruppe von chemischen
Elementen, die heutzutage unter anderem für Legierungen und Gläser in
High-Tech-Anwendungen unentbehrlich ist. „Die Seltenen Erden kommen in
dem Hydroxylapatit des Asteroiden in 100-fach höheren Konzentrationen
vor als sonst im Sonnensystem“, sagt Brenker. Zudem seien alle Elemente
der Seltenen Erdmetalle in dem Phosphat-Mineral in gleichem Maße
angereichert – auch das ist ungewöhnlich. „Diese gleiche Verteilung der
Seltenen Erden liefert einen weiteren Hinweis darauf, dass Ryugu ein
sehr ursprünglicher Asteroid ist, der die Anfänge unseres Sonnensystems
repräsentiert“, ist Brenker überzeugt.
Es ist keineswegs
selbstverständlich, dass Forschende der Goethe-Universität Frankfurt
Proben der Hayabusa-2-Mission untersuchen durften: Immerhin hat Japan
diese Weltraummission komplett in eigener Regie gestaltet und laut
Angaben aus dem Jahr 2010 dafür 123 Millionen Euro aufgewendet. Daher
möchte das Land jetzt auch einen großen Teil der wissenschaftlichen
Ernte einfahren. Doch auf die Expertise der deutschen SR-XRF-CT-Experten
mochte Japan dann doch nicht verzichten.
Den Artikel finden Sie unter:
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/analyse-von-partikeln-des-asteroiden-ryugu-liefert-ueberraschende-ergebnisse/
Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main (09/2022)
Publikation: T. Nakamura et.al. Formation and evolution of Cb-type asteroid Ryugu: Direct evidence from returned samples Science (2022) https://doi.org/10.1126/science.abn8671 |