Wie kommen Seuchen zum Erliegen? |
Die Pest ist eine der größten Geißeln der Menschheit, die im 14. Jahrhundert rund ein Viertel der europäischen Bevölkerung dahingerafft hat. Was hat diese Pestwelle gestoppt? Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Ben Krause-Kyora vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Universität Kiel (CAU) hat nun einen Mechanismus aufgedeckt, der unter anderem zum Ende der zweiten Pandemie beigetragen haben könnte.
Die Pest ist eine der größten Geißeln der Menschheit, die im 14.
Jahrhundert rund ein Viertel der europäischen Bevölkerung dahingerafft
hat. Was hat diese Pestwelle gestoppt? Ein internationales
Forschungsteam unter der Leitung von Ben Krause-Kyora vom Institut für
Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Universität Kiel (CAU) hat nun
einen Mechanismus aufgedeckt, der unter anderem zum Ende der zweiten
Pandemie beigetragen haben könnte.
Die Pest wird durch eine
Infektion mit dem durch Rattenflöhe übertragenen Bakterium Yersinia
pestis (Y. pestis) verursacht. In der neueren Geschichte sind drei große
Pest-Pandemien dokumentiert, die mit verheerenden Todeszahlen und
großem menschlichen Leid einhergingen. Die zweite Pandemie begann mit
dem Schwarzen Tod (1347-1353), der in nur wenigen Jahren einen großen
Teil der europäischen Bevölkerung tötete. Die Pandemie dauerte weitere
vier Jahrhunderte an und traf den Kontinent wiederholt mit lokalen oder
regionalen Ausbrüchen. Angesichts dieser langjährigen Präsenz der Pest
in Europa erscheint das Nachlassen und endgültige Verschwinden der
Krankheit am Ende des 18. Jahrhunderts umso rätselhafter.
Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler aus Deutschland und Lettland haben nun in einer
Studie die DNA von menschlichen Überresten von zwei Friedhöfen in Riga,
Lettland, untersucht, die im 17. Jahrhundert als Begräbnisstätte für
Pestopfer dienten. Sie extrahierten die DNA aus den Zähnen von 16
Skeletten und analysierten diese. Dabei konnten sie in den Überresten
von vier Individuen Spuren des Erregers Y. pestis nachweisen. Bei zwei
von ihnen war die DNA so gut erhalten, dass ganze Genome des Erregers
analysiert werden konnten. Es stellte sich heraus, dass sich die Genome
aus Riga in einem wesentlichen Aspekt von Genomen aus der Zeit des
Schwarzen Todes unterschieden: Sie wiesen eine geringere Anzahl eines
bestimmten Gens, des Pla-Gens, auf. Pla ist ein sogenannter
Virulenzfaktor, der entscheidend für die Übertragung des Bakteriums ist.
Julian
Susat, Doktorand am IKMB und Erstautor der in der Fachzeitschrift
Scientific Reports veröffentlichten Studie, analysierte erneut bereits
zuvor untersuchte DNA-Sequenzen anderer Stämme, die nach dem Schwarzen
Tod aufgetreten waren und fand dasselbe Muster – sie alle hatten eine
geringere Kopienzahl des Pla-Gens und waren damit für den Menschen
weniger ansteckend. Das wirft die Frage auf, warum die Bakterien im
Verlauf der zweiten Pandemie die Anzahl ihrer Pla-Gene reduziert haben.
Susat mutmaßt: „Eine Möglichkeit ist, dass sich die Bakterien nach dem
Schwarzen Tod an eine neue Umgebung anpassen mussten. Das reduzierte
Pla-Gen könnte ihnen einen Vorteil bei der Infektion von Nagetieren,
ihrem natürlichen Wirt, verschafft haben.“ Für Studienleiter
Krause-Kyora liefern die Ergebnisse eine mögliche Erklärung für den
Verlauf der Pandemie: „Die Ausbreitung der Pla-reduzierten und damit für
den Menschen weniger virulenten Stämme könnte zumindest teilweise den
Rückgang und letztendlich das Verschwinden der Pest aus Europa
erklären." Die Studie verdeutlicht, wie die Anwendung moderner
Technologien zur Sequenzierung von Genomen dazu beitragen kann, adaptive
Prozesse von Krankheitserregern während einer Pandemie zu
rekonstruieren und so den Verlauf einer Seuche zu erklären.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/232-pest-pla-gen
Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (09/2020)
Publikation: Susat, J., Bonczarowska, J.H., Pētersone-Gordina,
E. et al. Yersinia pestis strains from Latvia show depletion of the pla
virulence gene at the end of the second plague pandemic. Sci Rep 10,
14628 (2020). https://doi.org/10.1038/s41598-020-71530-9 |