Desinfektionsmittel in hessischen Böden |
In Pandemiezeiten waren und sind sie unentbehrlich und allgegenwärtig: Desinfektionsmittel. Doch wie wirkt sich der massenhafte Gebrauch auf unsere Umwelt aus? Dieser Frage ist nun ein gemeinsames Forscherteam der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen und des Hessischen Landesamtes für Natur-schutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) auf den Grund gegangen: In einer breit angeleg-ten Studie untersuchten sie das Vorkommen wichtiger Wirkstoffe von Desinfektionsmit-teln und Tensiden, den Quartären Alkylammoniumverbindungen (kurz QAAV), in hessi-schen Böden.
Das Ergebnis: In 97 % der 65 untersuchten Bodenproben konnten QAAV
nachgewiesen werden. Dabei zeigte sich, dass sowohl Acker-, als auch
Grünland-, Wald- und Weinbaustandorte mit dem Fremdstoff belastet waren.
Die Gehalte der Des-infektionsmittel überschritten teilweise Werte von 1
mg kg-1 – und liegen damit zwei bis drei Größenordnungen oberhalb von
Gehalten, wie sie für Arzneimittel und Antibiotika in Böden nachgewiesen
wurden.
Problematisch an QAAV und ihrem Vorkommen in der Umwelt
ist, dass sie Antibiotika-resistenzen verursachen können. Eine
Verbreitung dieser Desinfektionsmittelgruppe in Böden ist deshalb
kritisch zu sehen und könnte – wie der missbräuchliche Einsatz von
Antibiotika – das Problem der Antibiotikaresistenzen zusätzlich
verschärfen. Aktuelle Vorhersagen gehen davon aus, dass bereits im Jahr
2050 jährlich 10 Millionen Men-schen weltweit durch
antibiotikaresistente Keime sterben werden.
Da die Stoffgruppe
der QAAV analytisch nur schwer zugänglich ist, steht die Forschung zu
deren Verbreitung und Effekten in Böden noch ganz am Anfang. In einer an
der JLU betreuten Doktorarbeit konnte gezeigt werden, dass vor allem
Böden, die regelmäßig durch Hochwasser der Flüsse Rhein und Main
überschwemmt werden, stark mit QAAV kontaminiert sind. Überraschend war
hierbei, dass QAAV selbst in Waldböden nachge-wiesen werden konnten,
obwohl ein unmittelbarer Eintrag durch Überschwemmungen oder
beispielsweise über Gülle-, Klärschlamm- oder Pestizidausbringung wie
auf land-wirtschaftlichen Flächen in Wäldern allgemein nicht gegeben
ist. Die Untersuchungs-standorte liegen unter anderem in den Landkreisen
Marburg-Biedenkopf, Gießen, der Wetterau, dem Vogelsberg, Kassel und
dem Raum Frankfurt. Die Mehrheit der Boden-proben wurde durch das HLNUG
zur Verfügung gestellt und ist Teil des umfangreichen Probenarchivs der
hessischen Bodendauerbeobachtung. Finanziert wurde das Projekt durch die
Deutsche Forschungsgemeinschaft.
Ob und in welcher Weise die
teils sehr hohen QAAV-Gehalte in hessischen Böden zu Resistenzen in
Mikroorganismen und Pathogenen beitragen, ist noch nicht bekannt. Alle
Ergebnisse sind im Fachmagazin „Science of the Total Environment“
publiziert und kön-nen unter https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2022.159228 eingesehen werden (dort auch eine Karte von Hessen mit alle beprobten Standorten und gemessenen Gehalten).
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-giessen.de/de/ueber-uns/pressestelle/pm/pm48-22hlnugdessinfektionsmittelinhessischenboeden
Quelle: Justus-Liebig-Universität Gießen (12/2022)
Publikation: Kai Jansen, Christian Mohr, Katrin Lügger, Christian Heller, Jan Siemens, Ines Mulder: Widespread
occurrence of quaternary alkylammonium disinfectants in soils of Hesse,
Germany, Science of The Total Environment, Volume 857, Part 1, 2023 https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2022.159228 |