Ein Forschungsteam hat einen reversiblen, wasserbasierten Klebstoff entwickelt, der im neutralen pH-Bereich gut haftet, sich aber im stark sauren oder alkalischen Milieu wieder löst. Wie das Team in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie schreibt, beruht das neuartige Klebesystem auf elektrostatischen Wechselwirkungen und vermittelt somit in der Klebewirkung zwischen Strukturklebstoffen und abziehbaren Haftklebern. Reversibel verklebt werden können auch „schwierige“ Oberflächen wie zum Beispiel wasserabweisendes Polypropylen.
Strukturelle Klebesysteme wie zum Beispiel
Zweikomponenten-Klebstoffe bilden nach der Reaktion eine feste Einheit
und lassen sich entlang der Klebefläche nicht mehr lösen. Haftkleber wie
zum Beispiel Tesafilm können dagegen durch Zugkraft wieder sauber
abgelöst werden. Adriana Sierra Romero, Katarina Novakovic und Mark
Geoghegan Mark Geoghegan von der Universität Newcastle in Großbritannien
haben nun einen Zwischenweg gewählt: Ladungswechselwirkungen an der
Klebefläche bieten einen strukturellen Verbund, der sich aber
neutralisieren und somit wieder lösen lässt.
Um die anziehende
Ladungswechselwirkung zu erreichen, entwickelte das Team zwei
wasserbasierte Polymerdispersionen, die auf Oberflächen aufgetragen
werden können. Das Grundpolymer war in beiden Fällen ein Copolymer aus
den gängigen und preiswerten Komponenten Styrol und Butylacrylat. Um die
beiden entgegengesetzt geladenen Dispersionen zu erzeugen, umhüllten
die Forschenden die Teilchen in einem Fall mit dem Tensid Laurylsulfat
und einpolymerisierter Acrylsäure, die im neutralen bis alkalischen
pH-Bereich negativ geladen sind. Im anderen Fall bestand die Tensidhülle
aus dem Polysaccharid Chitosan, das im neutralen oder sauren Milieu
positiv geladen Aminogruppen enthält.
Beide Polymerdispersionen
bildeten gut haftende Beschichtungen auf vielen Oberflächen. In Kontakt
gebracht, klebten die Flächen durch die elektrostatischen
Wechselwirkungen zwischen den positiven und negativen Ladungen fest
zusammen, auch in feuchter oder nasser Umgebung, wie das Team ausführte.
Wurde der pH-Wert durch Zugabe einer starken Säure oder Base jedoch
geändert, neutralisierte entweder das saure Milieu (niedriger pH-Wert)
die negativen Ladungen oder das basische Milieu (hoher pH-Wert) die
positiven Ladungen an den Klebstoffen, und die Haftung verschwand.
Das
Forschungsteam beschreibt das pH-empfindliche Klebesystem als
neuartigen recycelbaren Mittelweg zwischen den Strukturklebern, die
nicht lösbare Bindungen haben, und den abziehbaren Klebefilmen, deren
Bindung auf physikalischen Wechselwirkungen beruht. Zudem habe der
entwickelte Kleber weitere Vorteile, denn zum einen haftete er auf stark
wasserabweisenden Polypropylen-Oberflächen, die mit wässrigen
Klebesystemen sonst kaum erreichbar sind. Zum anderen konnte auch ein
nachhaltiger Grundstoff aus Sojaöl verwendet werden, womit ein weiterer
Schritt in Richtung umweltfreundliches, recyclingfähiges Kleben möglich
wäre.
Den Artikel finden Sie unter:
https://onlinelibrary.wiley.com/page/journal/15213757/homepage/press/202348press.html
Quelle: Gesellschaft Deutscher Chemiker GDCh (11/2023)
Publikation: https://doi.org/10.1002/ange.202310750 |