Wie sich Kälte auf den Nährstoffgehalt von Grünkohl auswirkt, hängt von der Sorte ab
Bei niedrigen Temperaturen verändern sich Nährstoffgehalt und Geschmack von Grünkohl – und zwar je nach Sorte auf unterschiedliche Art und Weise. Ein Team um die Biologen Dr. Christoph Hahn und Prof. Dr. Dirk Albach, beide Universität Oldenburg, berichtet, dass die Konzentration der für den typischen Kohlgeschmack verantwortlichen Glucosinolate bei manchen Sorten ansteigt, wenn es kalt wird, bei anderen dagegen sinkt.
Grünkohl gilt unter anderem wegen seines hohen Gehalts an so
genannten sekundären Pflanzenstoffen als besonders gesundes Gemüse.
Unter diesen Nährstoffen sind auch die für den typischen Kohlgeschmack
verantwortlichen Glucosinolate, auch als Senfölglykoside bekannt.
Oldenburger und Bremer Forschende haben nun herausgefunden, dass die
genaue Zusammensetzung dieser Stoffe sowohl von den Umweltbedingungen –
insbesondere von der Temperatur – als auch von genetischen Faktoren
abhängt. Die Studienergebnisse hat das Team um Dr. Christoph Hahn und
Prof. Dr. Dirk Albach, beide Universität Oldenburg, jetzt in der
Fachzeitschrift Horticulturae veröffentlich. Demnach steigt die
Konzentration der Glucosinolate bei manchen Sorten bei Kälte an, während
sie sich bei anderen Sorten verringert. „Um Pflanzen mit einem
verbesserten Nährstoffgehalt zu erhalten, sollte man sowohl auf die
Temperatur als auch auf die kultivierte Sorte achten“, betont Hahn.
In
einer früheren Studie hatte der Biologe bereits gezeigt, dass sich die
rund 150 weltweit existierenden Grünkohlsorten mehreren genetisch
verschiedenen Gruppen zuordnen lassen, die sich auch in Aussehen,
Geschmack, Farbe und bei den Inhaltsstoffen unterscheiden. Eine Gruppe
umfasst etwa Grünkohlsorten mit krausen Blättern, wie sie typischerweise
in Norddeutschland angebaut werden. Eine weitere Gruppe bilden
geschmacklich mildere italienische Sorten mit länglichen, dunklen
Blättern, die auch als „Palmkohl“ oder „Schwarzkohl“ bekannt sind. In
den USA sind dagegen Varietäten mit breiten, glatten Blättern typisch,
die eher der Wildform des Kohls ähneln.
In der aktuellen Studie
untersuchte das Team um Hahn, wie sich Kälte auf die Zusammensetzung der
Glucosinolate in den Grünkohlblättern auswirkte. Die pflanzeneigenen
Stoffe werden beim Zerkleinern der Blätter in Senföle (Isothiocyanate)
umgewandelt, die das Gemüse vor Fressfeinden wie Raupen und Schnecken
schützen. Sie sind für den charakteristischen, teils bitteren und
scharfen Geschmack von Grünkohl verantwortlich. Die Wildform des Kohls
hat einen besonders hohen Glucosinolat-Gehalt, Palmkohl-Sorten enthalten
dagegen meist deutlich weniger dieser Stoffe.
Für die
Untersuchung wählten die Forschenden die drei Sorten „Frostara“,
„Palmizio“ und „Helgoländer“ aus, die sich den Gruppen „krauser
Grünkohl“, „Palmkohl“ und „Wildform“ zuordnen lassen. Sie pflanzten 45
Exemplare jeder Sorte in einer Klimakammer der Universität an und
setzten die ausgewachsenen Pflanzen für eine Woche Temperaturen von zwei
Grad Celsius aus. Die Konzentration und Zusammensetzung der
Glucosinolate untersuchten sie erst bei warmen Temperaturen sowie nach
zwölf Stunden und sieben Tagen Kälte. Zu allen drei Zeitpunkten
ermittelten sie den Gehalt sieben verschiedener Substanzen mit einem
Massenspektrometer.
Das Ergebnis: Sowohl beim krausen Grünkohl
als auch beim Palmkohl stieg der Gesamtgehalt der Glucosinolate bei
niedrigen Temperaturen an, wohingegen sich die Menge in der Wildform
verringerte. Dieses Resultat überraschte das Team: „Wir hätten auf Basis
unserer bisherigen Untersuchungen nicht erwartet, dass der Palmkohl
genauso reagiert wie die krause Sorte, da er an andere klimatische
Bedingungen angepasst ist“, berichtet Hahn.
Was die Ergebnisse
für den Grünkohlgeschmack bedeuten, testete das Team nicht. „Dafür sind
nicht nur die Glucosinolate, sondern auch der Zuckergehalt
entscheidend“, erläutert Hahn. In einer 2020 veröffentlichten Studie
hatte der Forscher bereits nachgewiesen, dass der Anteil von
Zuckerverbindungen in den Grünkohlblättern bei Kälte ebenfalls zunimmt –
allerdings nicht, wie oft angenommen, erst bei Minusgraden, sondern
bereits bei Temperaturen im einstelligen positiven Bereich.