Schwefelwasserstoff gegen Krebs |
Schwefelwasserstoff ist normalerweise ein hochgiftiges Gas. Richtig eingesetzt könnte die Substanz jedoch die fotothermische Krebstherapie erheblich unterstützen, hat nun ein Forschungsteam entdeckt. Wie das Team in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichtet, verloren Tumorzellen ihren natürlichen Hitzeschutz und reagierten deutlich empfindlicher auf die Laser-Wärmebehandlung, wenn ein Hilfsstoff Schwefelwasserstoff in der Zelle freisetzte.
Das Einatmen von Schwefelwasserstoff führt bei Menschen zum
Ersticken, denn das Gas unterbricht die Atmungskette der Mitochondrien,
der Energiekaftwerke der Zellen. In kleinen Mengen in der Zelle
freigesetzt, wirkt molekularer Schwefelwasserstoff jedoch anders: Als
Botenstoff reguliert Schwefelwasserstoff auch Zellvorgänge, die unter
anderem für die Entwicklung von Krebszellen relevant sind. Ein
Forschungsteam um Xiaoyuan (Shawn) Chen von der National University of
Singapore nahm nun die Wirkung von Schwefelwasserstoff auf den
Hitzeschutzmechanismus von Tumorzellen ins Visier.
Denn
Tumorzellen können sich gegen einen Wärmeangriff wehren. Ziel der
fotothermischen Krebstherapie ist es, Krebszellen bildlich gesprochen
von innen heraus zu verkochen. Um die hierfür notwendigen Temperaturen
in der Zelle zu erreichen, wandelt ein in die Zelle eingeführter
Fotosensibilisator eingestrahltes Infrarotlicht in Wärme um. Die
Tumorzellen reagieren darauf jedoch unter anderem mit einer vermehrten
Produktion von Hitzeschockproteinen, was die Wirksamkeit der Therapie
vermindert.
Um die Hitzeschockproteine herzustellen, benötigt die
Zelle jedoch Energieäquivalente aus der mitochondrialen Atmungskette.
Deren Produktion – und damit die der Hitzeschockproteine – ließ sich
durch Schwefelwasserstoff in der Zelle unterbinden, wie das Team
entdeckte. Als gut verträglichen Schwefelwasserstoff-Lieferanten wählte
das Team einen seit Langem verwendeten Wirkstoff: das Medikament
Anetholtrithion, das unter anderem gegen Mundtrockenheit und zur
Gallensekretion eingesetzt wird. Abgesehen von dieser Wirkung setzt das
Molekül Anetholtrithion Schwefelwasserstoff frei, wenn es in der Zelle
abgebaut wird.
Für eine vollständige fotothermische Krebstherapie
koppelte das Team ein Anetholtrithionderivat an nanoskopisch kleine
Kupfersulfidplättchen, die gut in die Zelle aufgenommen werden, und die
als Fotosensibilisator Licht im Nahinfrarotbereich wirksam in Wärme
umwandeln. Bereits nach einer einzigen Injektion des
Kombinationswirkstoffs verschwand der Tumor innerhalb weniger Tage bei
Mäusen, die mit Brusttumoren infiziert waren. Auch waren niedrigere
Themperaturen als bei der normalen Therapie möglich, sodass weniger
umgebenes Gewebe geschädigt wurde. Die Autor*innen empfehlen daher
diesen Ansatz einer Adjuvant-vermittelten Neumodellierung der
Energieversorgung der Zelle, um die fotothermische Therapie
weiterzuentwickeln.
Den Artikel finden Sie unter:
https://onlinelibrary.wiley.com/page/journal/15213757/homepage/press/202323press.html
Quelle: Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (05/2023)
Publikation: https://doi.org/10.1002/ange.202304312 |