Wie meteoritisches Eisen bei der Entstehung des Lebens auf der Erde geholfen haben könnte
Forscher des Max-Planck-Instituts für Astronomie und der Ludwig-Maximilians-Universität München haben ein neues Szenario für die Entstehung der ersten Bausteine des Lebens auf der Erde vor rund 4 Milliarden Jahren vorgeschlagen. Mit Hilfe von Experimenten zeigten sie, wie Eisenpartikel aus Meteoriten und Vulkanasche als Katalysatoren für die Umwandlung einer kohlendioxidreichen frühen Atmosphäre in Kohlenwasserstoffe, aber auch Acetaldehyd und Formaldehyd gedient haben könnten. Diese Stoffe wiederum sind Bausteine für Fettsäuren, Nukleobasen, Zucker und Aminosäuren.
Nach unserem heutigen Kenntnisstand entstand das Leben auf der Erde
nur rund 400 bis 700 Millionen Jahre nach der Entstehung der Erde
selbst. Das ist eine ziemlich schnelle Entwicklung, zum Vergleich:
Danach dauerte es etwa 2 Milliarden Jahre, bis sich die ersten richtigen
(eukaryotischen) Zellen bildeten. Der erste Schritt zur Entstehung von
Leben ist dabei die Bildung von organischen Molekülen, die als Bausteine
für Organismen dienen können. Bedenkt man, wie schnell das Leben
insgesamt entstanden ist, ist plausibel, dass sich dieser
vergleichsweise einfache erste Schritt ebenfalls schnell vollzog.
Die
hier beschriebene Forschung zeigt einen neuen Weg auf, wie solche
organischen Verbindungen unter den auf der frühen Erde herrschenden
Bedingungen entstehen konnten. Die Schlüsselrolle dabei spielen
Eisenpartikel aus Meteoriten, die als Katalysator wirken. Katalysatoren
sind Stoffe, deren Anwesenheit bestimmte chemische Reaktionen
beschleunigt, die aber bei jenen Reaktionen nicht verbraucht werden. In
dieser Hinsicht sind sie vergleichbar mit Werkzeugen, die ja notwendig
sind, um beispielsweise ein Auto herzustellen, die aber nachdem ein Auto
gebaut wurde gleich für den Bau des nächsten verwendet werden können.
Von der chemischen Industrie zurück zum Anfang der Erde
Die
Inspiration für die Forschung kam ausgerechnet aus der industriellen
Chemie. Konkret fragte sich Oliver Trapp, Professor an der
Ludwig-Maximilians-Universität München und Max-Planck-Fellow am
Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA), ob das sogenannte
Fischer-Tropsch-Verfahren zur Umwandlung von Kohlenmonoxid und
Wasserstoff in Kohlenwasserstoffe mit Hilfe metallischer Katalysatoren
nicht eine Entsprechung auf einer frühen Erde mit einer
kohlendioxidreichen Atmosphäre gehabt haben könnte. „Als ich mir die
chemische Zusammensetzung des Campo-del-Cielo-Eisenmeteoriten ansah, der
aus Eisen, Nickel, etwas Kobalt und winzigen Mengen Iridium besteht,
war mir klar, dass dies ein perfekter Fischer-Tropsch-Katalysator ist“,
erklärt Trapp. Der logische nächste Schritt war die Durchführung von
Experimenten, um die kosmische Version von Fischer-Tropsch zu testen.
Dmitry
Semenov, Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie, sagt: „Als
Oliver mir von seiner Idee erzählte, die katalytischen Eigenschaften von
Eisenmeteoritenpartikeln zur Synthese von Lebensbausteinen
experimentell zu untersuchen, war mein erster Gedanke, dass wir auch die
katalytischen Eigenschaften von Vulkanascheteilchen untersuchen
sollten. Schließlich sollte die frühe Erde geologisch aktiv gewesen
sein. In der Atmosphäre und auf den ersten Landmassen der Erde hätte es
reichlich feine Aschepartikel geben müssen.“
Kosmische Katalyse simulieren
Trapp
und Semenov taten sich mit Trapps Doktorandin Sophia Peters zusammen,
die die Experimente dann im Rahmen ihrer Doktorarbeit durchführte. Für
den Zugang zu Meteoriten und Mineralien sowie für das Fachwissen über
die Analyse solcher Materialien wandten sie sich an den Mineralogen
Rupert Hochleitner, einen Experten für Meteoriten an der Mineralogischen
Staatssammlung in München.
Die erste Zutat für die verschiedenen
Varianten des Experiments war jeweils eine Quelle von Eisenpartikeln:
Eisen aus einem echten Eisenmeteoriten, oder Partikel aus einem
eisenhaltigen Steinmeteoriten oder vulkanische Asche vom Ätna, letztere
als Ersatz für die eisenhaltigen Partikel, die auf der frühen Erde mit
ihrem hochaktiven Vulkanismus vorkommen würden. Anschließend wurden die
Eisenpartikel mit verschiedenen Mineralien vermischt, wie sie auch auf
der frühen Erde vorgekommen sein sollten. Diese Mineralien dienten dann
als Trägerstruktur – Katalysatoren sind in der Regel als kleine Partikel
auf einem geeigneten Substrat zu finden.
Kleine Partikel
Die
Größe der Partikel ist bei dieser Art von Experiment wichtig. Die
feinen Aschepartikel, die bei Vulkanausbrüchen entstehen, sind in der
Regel nur wenige Mikrometer groß. Bei Meteoriten, die durch die
Atmosphäre der frühen Erde fallen, würde die atmosphärische Reibung
dagegen Eisenpartikel in Nanometergröße abtragen. Der Einschlag eines
Eisenmeteoriten (oder des Eisenkerns eines größeren Asteroiden) wiederum
würde durch Fragmentierung direkt mikrometergroße Eisenpartikel
erzeugen, und zusätzlich nanometergroße Partikel, wenn das Eisen in der
starken Hitze verdampft und später in der umgebenden Luft wieder
erstarrt.
Die Forscher versuchten, diese Vielfalt an
Partikelgrößen auf zwei verschiedene Arten nachzubilden. Indem sie das
Meteoritenmaterial in Säure auflösten, erzeugten sie aus ihrem
präparierten Material Partikel in Nanometergröße. Und indem sie entweder
das meteoritische Material oder die Vulkanasche 15 Minuten lang in eine
Kugelmühle gaben, konnten die Forscher auf mechanischem Wege größere,
mikrometergroße Partikel herstellen. Eine solche Kugelmühle ist eine
Trommel, die sowohl das Material als auch Stahlkugeln enthält. Die
Trommel wird mit hoher Geschwindigkeit gedreht, in diesem Fall mit mehr
als zehn Mal pro Sekunde, wobei die Stahlkugeln das Material zermahlen.
Da
die ursprüngliche Erdatmosphäre keinen Sauerstoff enthielt, führten die
Forscher anschließend chemische Reaktionen durch, bei denen fast der
gesamte Sauerstoff aus dem Gemisch entfernt wurde.
Organische Moleküle unter Druck
Zum
Schluss wurde das jeweilige Gemisch dann in eine Druckkammer gebracht,
die überwiegend mit Kohlendioxid (CO2) sowie mit (einigen)
Wasserstoffmolekülen gefüllt war, um die Atmosphäre der frühen Erde zu
simulieren. Sowohl das Mischungsverhältnis als auch der Druck wurden von
Versuch zu Versuch variiert. Die Ergebnisse waren beeindruckend: Dank
des Eisenkatalysators entstanden in beträchtlichen Mengen organische
Verbindungen wie Methanol, Ethanol und Acetaldehyd, aber auch
Formaldehyd. Das ist eine erfreuliche Ausbeute. Insbesondere Acetaldehyd
und Formaldehyd sind wichtige Bausteine für Fettsäuren, Nukleobasen
(ihrerseits die Bausteine der DNA), Zucker und Aminosäuren.
Wichtig
ist außerdem, dass diese Reaktionen unter einer Vielzahl von Druck- und
Temperaturbedingungen erfolgreich abliefen. Sophia Peters sagt: „Da es
viele verschiedene Möglichkeiten für die Eigenschaften der frühen Erde
gibt, habe ich versucht, jedes mögliche Szenario experimentell zu
testen. Am Ende habe ich fünfzig verschiedene Katalysatoren verwendet
und das Experiment bei verschiedenen Werten für den Druck, die
Temperatur und das Verhältnis von Kohlendioxid- und Wasserstoffmolekülen
durchgeführt.“ Die Tatsache, dass sich die organischen Moleküle unter
so unterschiedlichen Bedingungen bildeten, ist ein starkes Indiz dafür,
dass solche Reaktionen auf der frühen Erde stattgefunden haben könnten –
weitgehend unabhängig von der genauen Zusammensetzung der Erdatmosphäre
in jener Zeit, die wir derzeit noch nicht kennen.
Eines von mehreren möglichen Szenarien
Mit
diesen Ergebnissen gibt es nun eine neue Möglichkeit, wie die ersten
Bausteine des Lebens auf der Erde entstanden sein könnten. Zu den
"klassischen" Mechanismen gehören die Synthese rund um
Hydrothermalquellen am Meeresboden, elektrische Entladungen in einer
methanreichen Atmosphäre (wie beim Urey-Miller-Experiment) sowie
Modelle, die vorhersagen, wie sich organische Verbindungen in den Tiefen
des Weltraums gebildet haben könnten und von Asteroiden oder Kometen
zur Erde transportiert wurden (siehe diese MPIA-Pressemitteilung). Dazu
gesellt sich nun eine weitere Möglichkeit: Eisenpartikel aus Meteoriten
oder feine Vulkanasche, die als Katalysatoren in einer frühen,
kohlenstoffdioxidreichen Atmosphäre wirken.
Mit dieser Bandbreite
an Möglichkeiten sollten zukünftige Forschungen zur atmosphärischen
Zusammensetzung und zu den physikalischen Eigenschaften der frühen Erde
gute Chancen haben herauszufinden, welcher der verschiedenen Mechanismen
unter realistischen Bedingungen die höchste Ausbeute an Bausteinen
liefert – und somit der wichtigste Mechanismus für die ersten Schritte
vom Nicht-Leben zum Leben auf unserem Heimatplaneten gewesen sein
dürfte.
Quelle: Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz (05/2023)
Publikation: S.
Peters et al., "Synthesis of prebiotic organics from CO2 by catalysis
with meteoritic and volcanic particles", Scientific Reports (2023) Nach der Veröffentlichung finden Sie den Artikel unter: https://www.nature.com/articles/s41598-023-33741-8