Der Forschungsgruppe um Ralf Jungmann am Max-Planck-Institut für
Biochemie (MPIB) und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München
ist ein Durchbruch in der Fluoreszenzmikroskopie gelungen. Das Team
entwickelte „Resolution Enhancement by Sequential Imaging“ (RESI), eine
revolutionäre Technik, die die Auflösung der Fluoreszenzmikroskopie bis
auf die Ångströmskala verbessert. Diese Innovation wird einen
Paradigmenwechsel bei der Untersuchung biologischer Systeme mit bisher
unerreichter Detailgenauigkeit einleiten.
Zellen, die
grundlegenden Einheiten des Lebens, enthalten eine Vielzahl komplexer
Strukturen, Prozesse und Mechanismen, die lebende Systeme
aufrechterhalten und fortbestehen lassen. Viele zelluläre Kernelemente
wie DNA, RNA, Proteine und Lipide sind nur wenige Nanometer groß. Dies
macht sie erheblich kleiner als die Auflösungsgrenze der herkömmlichen
Lichtmikroskopie. Die genaue Zusammensetzung und Anordnung dieser
Moleküle und Strukturen ist daher oft unbekannt, was zu einem mangelnden
mechanistischen Verständnis grundlegender Aspekte der Biologie führt.
In
den letzten Jahren haben sogenannte Superauflösungstechniken enorme
Fortschritte gemacht und erlauben es, subzelluläre Strukturen unterhalb
der klassischen Beugungsgrenze des Lichts aufzulösen. Die
Einzelmoleküllokalisierungsmikroskopie („Single-Molecule Localization
Microscopy“, SMLM) ist ein Verfahren, mit dem Strukturen in der
Größenordnung von zehn Nanometern aufgelöst werden können, indem ihre
individuellen Fluoreszenzemissionen zeitlich getrennt werden. Da
einzelne Zielmoleküle in einem sonst dunklen Sichtfeld stochastisch
aufleuchten (sie blinken), können ihre Positionen mit einer Genauigkeit
unterhalb der Beugungsgrenze bestimmt werden. DNA-PAINT, erfunden von
der Jungmann-Gruppe, ist eine SMLM-Technik, die temporäres Hybridisieren
von Farbstoff-markierten DNA-"Imager"-Strängen nutzt, um das notwendige
Blinken für Superauflösung zu erreichen. Bislang war jedoch selbst
DNA-PAINT nicht in der Lage, die kleinsten zellulären Strukturen
aufzulösen.
In der aktuellen Studie, die von den Erstautoren
Susanne Reinhardt, Luciano Masullo, Isabelle Baudrexel und Philipp Steen
zusammen mit Jungmann geleitet wurde, stellt das Team einen neuen
Ansatz in der Superauflösungsmikroskopie vor, der eine grundsätzlich
"unbegrenzte" räumliche Auflösung ermöglicht. Die neue Technik mit der
Bezeichnung "Resolution Enhancement by Sequential Imaging", kurz RESI,
nutzt die Fähigkeit von DNA-PAINT, die Identität von Zielobjekten durch
eindeutige DNA-Sequenzen zu kodieren. Nahe aneinanderlegende Moleküle,
die mit klassischer SMLM nicht aufgelöst werden können, werden durch
unterschiedliche DNA-Sequenzen markiert. Dadurch entsteht ein
zusätzliches Unterscheidungsmerkmal. Durch sequenzielle Bildgebung erst
einer und dann der anderen Sequenz (und damit Molekül), können sie nun
eindeutig getrennt und aufgelöst werden. Da sie nacheinander abgebildet
werden, können die Ziele beliebig nahe beieinander liegen, was mit
keiner anderen Technik möglich ist. Darüber hinaus erfordert RESI keine
spezialisierten Mikroskope, es kann mit jedem
Standard-Fluoreszenzmikroskop angewendet werden, was es für fast alle
Forschende leicht zugänglich macht.
Um die Auflösungsverbesserung
von RESI zu demonstrieren, stellte sich das Team der Herausforderung,
einen der kleinsten räumlichen Abstände in einem biologischen System
aufzulösen: Den Abstand zwischen einzelnen Basen entlang einer
DNA-Doppelhelix, die weniger als einen Nanometer (ein Milliardstel
Meter) voneinander entfernt sind. In einer DNA-Origami-Nanostruktur, die
einzelsträngige DNA-Sequenzen in einem Abstand von nur einem Basenpaar
enthielt, konnte das Forscherteam einen Abstand von 0,85 nm (oder 8,5
Ångström) zwischen benachbarten Basen auflösen. Den Forschenden gelang
diese Messung mit einer Präzision von 1 Ångström, oder einem
Zehnmilliardstel Meter, was die beispiellosen Möglichkeiten des
RESI-Verfahrens unterstreicht.
Wichtig ist, dass die Technik
universell und nicht nur auf Anwendungen in DNA-Nanostrukturen
beschränkt ist. Zu diesem Zweck untersuchte das Team den molekularen
Wirkmechanismus von Rituximab, einem Anti-CD20 monoklonalen Antikörper,
der erstmals 1997 zur Behandlung von CD20-positivem Blutkrebs zugelassen
wurde. Die Untersuchung der Auswirkungen solcher Medikamentenmoleküle
auf molekulare Rezeptormuster übersteigt jedoch die räumliche Auflösung
herkömmlicher Mikroskopietechniken. Zu verstehen, ob und wie sich solche
Muster im Krankheitsfall sowie bei einer Behandlung verändern, ist
nicht nur für die mechanistische Grundlagenforschung, sondern auch für
die Entwicklung neuer zielgerichteter Krankheitstherapien von großer
Bedeutung. Mit RESI konnten Jungmann und sein Team die natürliche
Anordnung von CD20-Rezeptoren in unbehandelten Zellen als Dimere
offenlegen und aufdecken, wie sich CD20 bei Medikamentenbehandlung zu
Ketten von Dimeren umorganisierte. Die Erkenntnisse auf der
Einzelproteinebene helfen nun, die molekulare Wirkweise von Rituximab
besser zu verstehen.
Da RESI in ganzen, intakten Zellen
durchgeführt wird, schließt die Technik die Lücke zwischen rein
strukturellen Methoden wie Röntgenkristallographie oder kryogener
Elektronenmikroskopie und herkömmlichen bildgebenden Verfahren mit
geringerer Auflösung für ganze Zellen. Jungmann und sein Team sind
überzeugt, dass "diese beispiellose Technik nicht nur für
Superauflösung, sondern auch für die biologische Forschung insgesamt ein
echter Game-Changer ist".
Quelle: Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz (05/2023)
Publikation: Susanne
C. M. Reinhardt, Luciano A. Masullo, Isabelle Baudrexel, Philipp R.
Steen, Rafal Kowalewski, Alexandra S. Eklund, Sebastian Strauss, Eduard
M. Unterauer, Thomas Schlichthaerle, Maximilian T. Strauss, Christian
Klein & Ralf Jungmann Ångström-resolution fluorescence microscopy Nature https://www.nature.com/articles/s41586-023-05925-9