COVID-19: Gegen Kernprotein gerichtete Immunzellen sind wichtig für die frühe Immunabwehr |
Trotz intensiver Forschung seit dem Beginn der Corona-Pandemie ist immer noch unklar, welche Komponenten des Immunsystems an der frühen Immunabwehr und Viruskontrolle in den Atemwegen beteiligt sind und so vor einem schweren Verlauf von COVID-19 schützen können. Ein Team um PD Dr. Christof Geldmacher, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie am Tropeninstitut des LMU Klinikums München, hat nachgewiesen, dass spezifisch gegen den Viruskern gerichtete Immunzellen – sogenannte T-Zellen – dabei vermutlich eine wichtige Rolle spielen. Wie die Autoren im Fachmagazin Nature Communications berichten, könnten diese Ergebnisse dazu beitragen, verbesserte Impfstoffe zu entwickeln.
Um die Dynamik der Immunabwehr zu untersuchen, führten die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler umfassende immunologische und
Viruslast-Analysen von Abstrichen aus dem Nasen-Rachen-Raum und
Blutproben durch, die sie während der ersten Corona-Welle ungeimpften
Infizierten entnahmen. „Wichtig ist, dass wir unsere Probanden zum
Großteil schon in der ersten Woche nach Einsetzen der Symptome gewinnen
konnten, also in einer sehr frühen Phase der Infektion“, sagt
Geldmacher.
Dabei zeigte sich, dass bestimmte Entzündungsmarker
im Blut während der ersten Woche nach Auftreten der Symptome ihre
höchsten Werte erreichten – und zwar umso mehr, je höher die Viruslast
in den oberen Atemwegen war. Gleichzeitig fanden die Forschenden
Hinweise auf die einsetzende Immunabwehr: „Antikörper gegen das Virus
sind in der ersten Woche meist noch nicht vorhanden, aber die Mehrheit
der Probanden zeigte bereits eine Virus-spezifische Aktivierung von
T-Zellen, sagt Geldmacher.
Nukleokapsid-spezifische T-Zellen hemmen Vermehrung der VirenGrundsätzlich
erkannten T-Zellen in dieser akuten Infektionsphase sowohl das
Hüllprotein Spike als auch das virale Nukleokapsid, ein Protein, das an
die RNA von SARS-CoV-2 bindet und mengenmäßig den Hauptbestandteil des
Virus bildet. Für die frühe Kontrolle der Infektion spielten
insbesondere die Nukleokapsid-spezifischen T-Zellen eine wichtige Rolle:
Je mehr dieser Zellen während der ersten Woche vorhanden waren, desto
weniger Viren fanden sich im Nasen-Rachenraum und desto weniger
Entzündungsmarker fanden sich im Blut. Für die Spike-spezifischen
T-Zellen, welche auch durch die SARS-CoV-2 Impfung gebildet werden, war
dieser Zusammenhang nicht nachweisbar. Darüber hinaus weisen die
Studienergebnisse darauf hin, dass solche aktivierten T-Zellen im
infizierten Nasen-Rachen-Gewebe ein antivirales Millieu erzeugen, durch
welche virusinfizierte Zellen besser vom Immunsystem erkannt und getötet
werden.
Zusammengenommen schließen die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler aus ihren Ergebnissen, dass die
Nukleokapsid-spezifischen T-Zellen zentrale Komponenten der Immunabwehr
sind, die infizierte und Virus-präsentierende Zellen hoch sensitiv
erkennen und die Vermehrung der Viren und die damit einhergehende
Entzündungsreaktion hemmen. Dass diese Zellen viel deutlicher mit der
Viruslast korrelierten als Spike-spezifische T-Zellen, erklären die
Forschenden damit, dass sowohl infizierte Zellen als auch das Virus
selbst deutlich mehr Nukleokapsid enthalten als Spike – es ist also viel
mehr Material vorhanden, um T-Zellen zu aktivieren.
Eine
ähnliche Beobachtung machte Geldmacher bereits in früheren Studien bei
HI-Viren, die ebenfalls deutlich mehr Nukleokapsid enthalten als
Hüllproteine. „Viel hilft viel“, sagt Geldmacher. Corona-Impfstoffe
richten sich bisher vor allem gegen Spike. Vor dem Hintergrund ihrer
Ergebnisse und weiteren unabhängiger Studien in Tiermodell und Mensch
plädieren die Forschenden deswegen dafür, zukünftig auch
Nukleokapsid-Proteine einzubeziehen, um verbesserte Impfstoffe zu
entwickeln. Dies gilt nicht nur für Corona: „Auch für andere
respiratorische Viren könnte die Berücksichtigung von wichtigen
T-Zell-Antigenen die Wirksamkeit verbessern und es für das Virus
schwieriger machen, der Immunantwort zu entkommen“, betont Geldmacher.
Ermöglicht
wurde die Studie auch durch die Nutzung bestehender Datensätze aus
publizierten klinischen Studien. Geldmacher unterstreicht: „Ein Zugang
zu pseudonymisierten (doppeltkodierten) personenbezogenen Daten aus
publizierten Studien für weitere Analysen war für unsere Studie von
hoher Bedeutung. Hierdurch haben wir zudem Kosten von mehreren
hunderttausend Euro und viel Aufwand gespart.“
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.lmu.de/de/newsroom/newsuebersicht/news/covid-19-gegen-kernprotein-gerichtete-immunzellen-sind-wichtig-fuer-die-fruehe-immunabwehr.html
Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München (05/2023)
Publikation: Tabea
M. Eser et al.: Nucleocapsid-specific T cell responses associate with
control of SARS-CoV-2 in the upper airways before seroconversion. Nature
Communications 2023 |