Neues Impfstoffkonzept gegen Sars-CoV-2 erfolgreich getestet
Forschende der Universität Basel haben einen neuen Ansatz für einen Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt. Das Vakzin beruht auf abgewandelten Coronaviren, die zwar in Zellen eindringen und eine effiziente Immunantwort auslösen, sich dabei im Körper aber nicht vermehren können. In Tierversuchen schützte der Impfstoff wirksam vor der Erkrankung und verhinderte sogar die Virusübertragung. Klinische Studien am Menschen sollen bald folgen.
Obwohl seit Anfang 2021 sichere und wirksame Covid-19-Impfstoffe zur
Verfügung stehen, verbreitet sich Sars-CoV-2 weiter und bringt laufend
neue Varianten hervor. In manchen Regionen fehlt der Bevölkerung der
Zugang zu Impfstoffen, in anderen fehlt es an Vertrauen gegenüber den
neuartigen mRNA-Vakzinen. Neue Impfstoffe, die sich einfach lagern und
verabreichen lassen und einen effizienten Immunschutz aufbauen, wären
ein wichtiger Schritt, um das Coronavirus nachhaltig in Schach zu
halten.
Forschende um Prof. Dr. Thomas Klimkait vom Departement
Biomedizin der Universität Basel stellen nun gemeinsam mit dem
Unternehmen RocketVax ein Impfstoffkonzept vor, das eine neue Generation
an Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 hervorbringen könnte. Das Konzept lässt
sich zudem auch rasch auf neue Varianten und auf andere Viren anpassen.
Ihre vielversprechenden Ergebnisse werden nun zur unabhängigen
Begutachtung und Publikation bei einem Fachjournal eingereicht und sind
auf einem Preprint-Server zugänglich. Vermehrungsunfähige Viren
«1-Zyklus-Viren»,
so bezeichnen die Forschenden das Prinzip ihres neuartigen Impfstoffs.
Das Vakzin beruht auf einer speziell angepassten Version des Virus, die
sich zwar im Labor vermehren lässt. In Körperzellen jedoch können sich
die 1-Zyklus-Viren nach dem ersten Eindringen nicht weiter vermehren.
Ein
Virus bringt normalerweise in seinem Erbgut die Baupläne für sämtliche
Bauteile mit, die für neue Viruspartikel nötig sind. Einmal in einer
Körperzelle angelangt, missbraucht das Virus dann die Zellmaschinerie:
Die Zelle beginnt, das Virus zu vervielfältigen. Anschliessend zerstören
die neu gebauten Viren die Zelle und infizieren weitere Zellen.
Für
ihren Impfstoff wandeln die Forschenden das Viruserbgut jedoch ab: «Wir
nehmen unter anderem ein bestimmtes Gen aus dem Bauplan für die
Virushülle heraus», erklärt der Virologe Klimkait. Fehlt diese
Hüll-Komponente, können keine neuen Viruspartikel entstehen. Die
Einzelteile des Virus werden aber produziert. Diese präsentiert die
Körperzelle an ihrer Oberfläche dem Immunsystem, das die Virus-Bausteine
erkennt und einen wirksamen Immunschutz aufbaut.
Impfstoffherstellung mit spezieller Zelllinie
Um
diese Viren, die sich in Körperzellen nicht mehr vervielfältigen
können, für die Impfstoffherstellung dennoch zu vermehren, entwickelten
die Forschenden eine sogenannte Produktions-Zelllinie. Dafür bauten sie
Zellen im Labor das fehlende Gen für den Virus-Baustein ins Erbgut ein,
sodass sie diesen Baustein dauerhaft herstellen. Schleust das Team nun
das abgewandelte Viruserbgut (mit unvollständigem Bauplan für die
Virushülle) in die Produktions-Zellen ein, bauen diese neue
Viruspartikel.
«Äusserlich sind diese Impfviren mit den normalen
Coronaviren völlig identisch. Aber das Virushüllen-Gen fehlt in ihrem
Erbgut. Das heisst, in normalen Körperzellen, die keinen Ersatz
anzubieten haben, können sie sich nicht vervielfältigen», so Dr.
Christian Mittelholzer, verantwortlicher Wissenschaftler im Projekt.
Verbesserte Immunantwort
Abgesehen
vom fehlenden Bauplan für den Virushüllen-Baustein veränderten die
Forschenden noch weitere Details am Viruserbgut: Sie entfernten Gene,
welche dem Virus erlauben, die Abwehrreaktion der Zelle zu hemmen. Diese
Veränderungen zielen darauf ab, eine möglichst wirksame Immunantwort
auf das Virus zu ermöglichen und einen starken und länger anhaltenden
Immunschutz aufzubauen.
Die Forschenden haben ihren neuen
Impfstoff kürzlich erfolgreich an Hamstern getestet: Nach der per
Nasentropfen verabreichten Immunisierung waren 20 von 20 Tieren
geschützt: Sie entwickelten selbst nach Kontakt mit einer hohen Dosis
des natürlichen Sars-CoV-2 keinerlei Symptome. Zudem konnte die Impfung
verhindern, dass andere, nicht geimpfte Tiere angesteckt wurden; nach
jetzigem Kenntnisstand bauten sie also eine sterile Immunität auf.
Impfung ohne Nadel
Auch
beim Menschen soll der Impfstoff via Nase oder Mund verabreicht werden.
Da die 1-Zyklus-Viren sehr stabil sind, kann der Impfstoff über längere
Zeit einfach im Kühlschrank gelagert werden, bestätigt Klimkait. Das
Forschungsteam plant nun die Produktion und eine erste Studie mit einer
kleinen Kohorte von Probandinnen und Probanden in der Schweiz.
Sollten
neue Varianten oder gar ein «Sars-CoV-3» auftauchen, liesse sich mit
demselben Konzept sehr schnell ein passender Impfstoff herstellen, so
Klimkait. «Technisch gesehen bringen wir das abgewandelte Viruserbgut in
mehreren Einzelstücken in die Produktions-Zelllinie, weil solche Stücke
einfacher herzustellen und einzuschleusen sind.» Im Zellinneren sorgen
Reparaturenzyme dafür, dass aus den Einzelstücken des Viruserbguts
wieder ein Ganzes wird. «Das heisst auch, dass wir beispielsweise den
Abschnitt mit dem Bauplan für das Spike-Protein sehr einfach austauschen
können, wenn eine neue Variante mit neuen Mutationen auftaucht.»
Keine Rückverwandlung der Impfviren möglich
Dass
dabei das fehlende Gen für den Virushüllen-Baustein zurückkommt, sei
unmöglich, betont Klimkait. «Das Hüllprotein-Gen befindet sich im Erbgut
im Zellkern der Produktionszelle. Das Viruserbgut dagegen bleibt immer
ausserhalb des Zellkerns – sie begegnen sich also nie, und das
Viruserbgut kann sich nicht wieder zur Ursprungsversion
vervollständigen.»
Die Forschenden um Thomas Klimkait und
Christian Mittelholzer haben das System zum Patent angemeldet. Die
Entwicklung und präklinischen Studien des neuen Impfstoffs fanden in
Zusammenarbeit mit der Firma RocketVax und für Tierexperimente mit dem
Friedrich-Loeffler-Institut in Deutschland statt. Die Zusammenarbeit ist
eingebettet in eine Forschungskooperation mit dem Universitätsspital
Basel und dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss
TPH). Das Universitätsspital Basel und der Kanton Basel-Stadt leisteten
eine Anschubfinanzierung der bereits begonnenen präklinischen
Forschungsarbeiten am neuen Impfstoff. Finanzielle Unterstützung erhielt
das Projekt auch von Innosuisse.
Publikation: Martin Lett, Fabian Otte et al. Single-cycle SARS-CoV-2 vaccine elicits high protection and sterilizing immunity in hamsters Preprint auf bioRxiv: 10.1101/2023.05.17.541127 https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2023.05.17.541127v1