Forscher gehen Bismut-Komplex auf den Grund |
Um die Vorteile von Elementen und ihren molekularen Verbindungen gezielt ausspielen zu können, müssen Chemikerinnen und Chemiker ein grundlegendes Verständnis für deren Eigenschaften entwickeln. Im Fall des Elements Bismut hat ein Team des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr nun einen wichtigen Schritt getan.
Die Chemikerinnen und Chemiker am Max-Planck-Institut für
Kohlenforschung wollen durch das rationale Design neuartiger
Katalysatoren dazu beitragen, die Prozesse in der Chemieindustrie
effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Um die Vorteile von Elementen
wie beispielsweise Bismut und ihren molekularen Verbindungen gezielt
spielen zu können, ist ein grundlegendes Verständnis ihrer Eigenschaften
notwendig. Und dass es noch einige bislang „weiße Flecken“ im atomaren
Kosmos gibt, welche es zu erschließen gilt, hat nun ein Team um Josep
Cornellà und Frank Neese, Gruppenleiter und Direktor am
Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, gezeigt. Ihre Arbeit zu einer
verblüffenden Eigenschaft von bestimmten Bismut-Komplexen haben die
Forscher jetzt in der Fachzeitschrift „Science“ publiziert.
Warum
Bismut? Das Team von Forschungsgruppenleiter Josep Cornellà
interessiert sich schon eine ganze Weile für dieses besondere Metall.
„Bismut kann – im Vergleich zu anderen Metallen – einige Vorteile
bieten. So ist es leichter verfügbar und weniger giftig als andere
Elemente. Darüber hinaus könnten besondere Eigenschaften von Bismut, die
andere „klassische“ Katalyse-Kandidaten nicht aufweisen, für künftige
Reaktionsdesigns eine Rolle spielen“, erläutert Cornellà.
Was
macht das Mülheimer Bismut-Molekül nun so ungewöhnlich? Atome bestehen
aus dem Atomkern sowie aus einer Atomhülle, welche aus Elektronen
besteht. Bei der Entstehung von Molekülen bilden sich chemische
Bindungen zwischen den einzelnen Atomen, welche aus Paaren von
Elektronen. Für Chemiker sind Moleküle immer dann besonders interessant,
wenn diese Elektronpaar Bildung nicht „vollständig“ ist, denn dann
tendieren die Moleküle dazu sehr reaktiv zu sein und mit anderen
Molekülen in Interaktion zu treten.
„Normalerweise sind Moleküle
mit ungepaarten Elektronen magnetisch“, erklärt Frank Neese. Doch nun
haben die Kohlenforscher ein Bismut-haltiges Molekül entwickelt, welches
über ungepaarte Elektronen verfügt, und seltsamerweise dennoch
keinerlei Magnetismus zeigt. Des Rätsels Lösung hat unter anderem mit
der besonderen Stellung von Bismut im Periodensystem der Elemente zu
tun. So ist Bismut das schwerste der stabilen Elemente – alle
nachfolgenden Elemente sind radioaktiv. Aufgrund des besonders schweren
Atomkerns legen die Elektronen ein besonderes Verhalten an den Tag,
welches nur mit Hilfe von Einsteins Relativitätstheorie verstanden
werden kann. Ebendiese Eigenschaften führen zu dem zunächst
verblüffenden experimentellen Befund. „Unser Molekül ist nicht wirklich
‚unmagnetisch‘“, erklären die Forscher, „allerdings gibt es auf der Erde
kein Magnetfeld welches stark genug wäre, um den Magnetismus in unserem
System zu detektieren“. Die Berechnung solcher hochkomplizierten,
großen Moleküle unter Einbeziehung von relativistischen Effekten wurde
durch das in Mülheim entwickelte Quantenchemie-Programmpaket ORCA
möglich gemacht, welches weltweit von mehr als 50000 Chemikern intensiv
genutzt wird.
Die Wissenschaftler aus Mülheim haben mit ihrer
Arbeit den „chemischen Steckbrief“ von Bismut um einen wichtigen Punkt
ergänzt. Wie man solche Eigenschaften im Design von neuartigen
Katalysatoren nutzen kann, wird sicherlich Gegenstand zukünftiger
Forschungsarbeiten sein.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.kofo.mpg.de/960855/2023-05-19-bismutkomplex
Quelle: Max-Planck-Institut für Kohlenforschung (05/2023)
Publikation: https://www.science.org/doi/10.1126/science.adg2833 |