Diätgetränke enthalten oft einen Mix aus Süßstoffen, die nach dem Konsum auch ins Blut gelangen. Wie eine neue Pilotstudie zeigt, genügen bereits verzehrübliche Aufnahmemengen von Saccharin, Acesulfam-K und Cyclamat, um in weißen Blutkörperchen die Ableserate verschiedener Gene zu modulieren. „Unsere Daten lassen annehmen, dass diese Modulation die Immunzellen in einen Zustand versetzt, der sie empfindlicher auf Immunstimuli reagieren lässt. Ebenso weisen sie darauf hin, dass Geschmacksrezeptoren als Süßstoffsensoren des zellulären Immunsystems fungieren könnten“, sagt Dietmar Krautwurst vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München.
Süßstoffe sind Süßungsmittel, die über eine sehr hohe Süßkraft
verfügen, jedoch kaum oder gar nicht zur Energieaufnahme beitragen.
Nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande spielen sie eine große
Rolle ? insbesondere bei Personen, die Süßes lieben, aber Kalorien und
Zucker einsparen wollen.
Süßstoffe wirken nicht nur auf Geschmacksknospen
Süßstoffe
wirken jedoch nicht nur auf die Geschmacksknospen im Mund. Neuere
Studien lassen annehmen, dass sie auch das menschliche Immunsystem
beeinflussen, wobei die zugrundeliegenden molekularen Zusammenhänge noch
wenig erforscht sind. Um zu deren Klärung beizutragen, war das Team um
Dietmar Krautwurst im Rahmen einer Kooperation mit dem ZIEL - Institute
for Food & Health der Technischen Universität München an der
Durchführung einer Pilotstudie mit zehn gesunden Testpersonen beteiligt.
Zu
Beginn der Studie mussten die Teilnehmenden pro kg ihres
Körpergewichtes 10,7 ml einer Süßstofflösung trinken, die pro Liter
einen getränketypischen Mix aus ca. 76 mg Saccharin, 228 mg Cyclamat und
53 mg Acesulfam-K enthielt. Umgerechnet auf eine 70 kg schwere Person
ergab sich eine Trinkmenge von ca. 0,75 Litern. Dabei entsprachen die
konsumierten Saccharin-, Cyclamat- bzw. Acesulfam-K-Mengen in etwa 16,
35 bzw. 6 Prozent der jeweils akzeptablen täglichen
Süßstoff-Aufnahmemenge.
Anschließende Blutanalysen ergaben, dass
vier Stunden nach dem Trinken der Testlösung die Süßstoffkonzentrationen
im Blut am höchsten waren. Daher untersuchte das Team einerseits, wie
die ermittelten Maximalkonzentrationen der jeweiligen Süßstoffe in vitro
auf weiße Blutkörperchen wirken, die der bakteriellen Abwehr dienen.
Andererseits analysierte das Team ex vivo Immunzellen, die es vor und
nach der Intervention aus dem Blut der Testpersonen entnommen hatte.
Süßstoffe beeinflussen das Ablesen verschiedener Genen
Sowohl
in vitro als auch in vivo erhöhte die Süßstoffgabe die Ableserate von
Genen, die den Bauplan von Geschmacksrezeptoren enthalten, die auch
üblicherweise im Mund auf die Süßstoffe reagieren. Zudem modulierten die
Süßstoffe das Ableseprofil von Genen, die für regulatorische Proteine
des Immunsystems kodieren. Laut Team führe dies zwar nicht zwangsläufig
zu veränderten Zellfunktionen. Dennoch ließen weitere Studienergebnisse
annehmen, dass das modulierte Transkriptionsprofil die Zellen in einen
Zustand überführt, der zumindest isolierte Immunzellen in Gegenwart der
drei Süßstoffe empfindlicher auf einen bakteriellen Stimulus reagieren
lässt.
„Unsere Resultate weisen darauf hin, dass bereits eine
durchschnittliche Süßstoffaufnahme Immunzellen im Blut beeinflussen
kann. Ob dies gesundheitlich gut oder schlecht ist, können wir zum
jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht sagen. Hierzu bedarf es weiterer
Forschung. Allerdings lässt sich von unseren Ergebnissen die Hypothese
ableiten, dass Geschmacksrezeptoren nicht nur im Mund, sondern auch auf
Immunzellen als Sensoren für lebensmittelbedingte Reize dienen“, erklärt
Dietmar Krautwurst. Eine Annahme, die das Freisinger Leibniz-Institut
weiter überprüfen wird.
Quelle: Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie (05/2023)
Publikation: Skurk,
T., Krämer, T., Marcinek, P., Malki, A., Lang, R., Dunkel, A.,
Krautwurst, T., Hofmann, T.F., and Krautwurst, D. (2023). Sweetener
System Intervention Shifted Neutrophils from Homeostasis to Priming.
Nutrients 15, 1260. 10.3390/nu15051260. https://www.mdpi.com/2072-6643/15/5/1260