Auch in Deutschland steigt die Zahl der Infektionen mit dem Pilz Candida auris. Das zeigt eine neue Studie von Forschungsteams aus Würzburg, Jena und Berlin. Trotz niedriger Zahlen raten die Beteiligten zu Vorsichtsmaßnahmen. Unter den Hefepilzen aus der Gattung Candida, die Infektionen beim Menschen verursachen, ist die Art Candida auris noch relativ neu: Erst 2009 wurde diese Art beschrieben, und bis heute ist kein Nachweis vor den 1990er-Jahren bekannt. Es ist unklar, welche ökologische Nische C. auris besiedelt und warum es etwa seit der Jahrtausendwende vermehrt zu Infektionen des Menschen kommt.
Die Behandlung von C. auris-Infektionen wird durch das Potenzial
des Erregers, Resistenzen gegenüber allen verfügbaren
Antimykotika-Klassen zu entwickeln, erheblich erschwert. Zudem kann C.
auris im Gegensatz zu anderen Candida-Arten effizient über direkten und
indirekten Kontakt von Patient zu Patient übertragen werden und so zu
schwer kontrollierbaren Krankenhausausbrüchen führen.
Dramatische Zunahme in den USA
Mittlerweile
wurden solche Ausbrüche weltweit beobachtet, unter anderem in England,
Spanien und Italien. Im April 2023 wurde für die USA eine dramatische
Zunahme von C. auris-Infektionen und gleichzeitig eine weitere
Resistenzentwicklung gezeigt. Eine aktuelle Analyse des European Centre
for Disease Prevention and Control (ECDC) zeigt auch für Europa einen
erheblichen Anstieg der Fallzahlen.
Daher klassifizieren die
amerikanischen Centers for Disease Control C. auris als „dringliche
Bedrohung“ – die höchste Priorisierungskategorie innerhalb der
multiresistenten Krankheitserreger. Auch in der 2023 von der
Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlichten Liste zur Priorisierung
von Pilzen, die Infektionen des Menschen verursachen, wird C. auris als
einer von nur vier Erregern in die höchste Prioritätsstufe gruppiert.
Anstieg der Fallzahlen auch in Deutschland
In
Deutschland gab es seit 2015 lediglich Einzelfälle, in denen C. auris
nachgewiesen wurde. Eine jetzt im Deutschen Ärzteblatt publizierte
Analyse zeigt allerdings, dass die Fallzahlen in den vergangenen Jahren
auch in Deutschland zugenommen haben. Verantwortlich für diese Studie
waren Dr. Alexander Aldejohann vom Institut für Hygiene und
Mikrobiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) sowie
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Nationalen Referenzzentrum
für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) und dem Robert Koch-Institut
(RKI). Studienleiter war Professor Oliver Kurzai, Vorstand des Instituts
für Hygiene und Mikrobiologie und Leiter des NRZMyk.
Grundlage
der Studie ist ein Abgleich von C. auris-Daten des NRZMyk und des
Antibiotika-Resistenz-Surveillance-Netzwerks des Robert-Koch-Instituts.
In den beiden Datenbanken wurden bis zum Jahresende 2022 insgesamt 43 C.
auris-Fälle erfasst. In 19 Fällen wurde eine Kolonisation und in 16
Fällen eine therapiebedürftige Infektion nachgewiesen. In knapp 42
Prozent der Fälle war ein Auslandsaufenthalt kurz vor dem
Infektionsnachweis bekannt.
Resistent gegenüber gängigen Medikamenten
80
Prozent der am NRZMyk verfügbaren Pilzstämme waren hoch-resistent
gegenüber Fluconazol, einem gängigen ein Anti-Pilzmittel. In einem Fall
lag eine Resistenz gegen Echinocandin vor, einer vergleichsweise neuen
Substanzklasse zur Therapie von Pilzinfektionen. Die Datenanalyse
erfasste zudem für 2021 und 2022 wahrscheinliche nosokomiale
Übertragungen in Deutschland – also Infektion, die sich Patientinnen und
Patienten im Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme,
beispielsweise in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder in ambulanten
Praxen zugezogen hatten.
Zusammenfassend kommen die Autoren und
Autorinnen zu dem Schluss, dass die absolute Fallzahl an C.
auris-Infektionen in Deutschland zwar nach wie vor niedrig ist. Der
deutliche Anstieg an Infektionsnachweisen während der vergangenen zwei
Jahre und der Nachweis erster Übertragungsereignisse in Deutschland
sollten ihrer Ansicht nach jedoch als Alarmsignal gewertet werden.
Stimmen zur Publikation
„Im
Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie Spanien, Italien oder
Großbritannien sind die Fallzahlen bei uns zum Glück noch niedrig. Wir
müssen alles dafür tun, dass das so lange wie möglich so bleibt – unsere
Erfahrung zeigt, dass jede Infektion mit Candida auris schwer zu
behandeln und für Patienten und Patientinnen potenziell lebensbedrohlich
ist. Die gute Nachricht aktuell ist aber: Kein Patient, keine Patientin
in einem deutschen Krankenhaus muss Angst haben, sich mit Candida auris
zu infizieren.“ (Dr. A. Aldejohann, Facharzt für Mikrobiologie,
Virologie und Infektionsepidemiologie, Institut für Hygiene und
Mikrobiologe, Universität Würzburg)
„Unsere Analysen zeigen – zum
Glück nach wie vor auf sehr niedrigem Niveau – einen deutlichen Anstieg
der C. auris-Importe nach Deutschland. Gleichzeitig konnten wir
nachweisen, dass die Fälle aktuell in keiner Datenbank vollständig
erfasst werden – wir müssen von einer Dunkelziffer ausgehen. Angesichts
der Tatsache, dass wir auch bereits erste Übertragungsereignisse in
Deutschland finden, habe ich dem Robert-Koch-Institut die Einführung
einer gesetzlichen Labormeldepflicht für den Nachweis von C. auris
empfohlen. Das ist aus meiner Sicht mit vertretbarem Aufwand umzusetzen
und würde es neben einer genauen Erfassung der Epidemiologie auch
ermöglichen, bei Nachweisen frühzeitig Infektionsschutzmaßnahmen
einzuleiten.“ (Prof. Dr. Oliver Kurzai, Lehrstuhl für Medizinische
Mikrobiologie und Mykologie, Universität Würzburg und Leiter, NRZMyk)
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