Größtes Genom eines Insekts entdeckt |
Das größte bisher bekannte Genom eines Insekts wurde jetzt in einer Feldheuschrecke nachgewiesen. Es ist etwa siebenmal größer als das menschliche Genom. Die aktuelle Studie von Forschenden des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) und der tschechischen Akademie der Wissenschaften widerlegt damit die Vorstellung, dass das Erbgut von Insekten kleiner und damit weniger komplex ist.
Die Gefleckte Schnarrschrecke (Bryodemella tuberculata) zählt zu den
auffälligsten und heute zugleich seltensten Heuschreckenarten
Mitteleuropas. Ihr letztes Rückzugsgebiet findet sie hierzulande in den
Alpen, in den Oberläufen von Isar und Lech. Diese Lebensräume
unterliegen durch die Flussdynamik ständiger Veränderung. „Es könnte
sein, dass diese Anpassung an veränderliche Umweltbedingungen die
genetischen Variationen und damit auch die Größe des Genoms befördert
hat“, stellt Oliver Hawlitschek, Leiter des Molekularlabors im LIB,
Museum der Natur Hamburg, eine Hypothese auf. „Gleichzeitig sehen wir in
dem Vergleich zum Menschen, dass wir nicht von der Größe des Genoms auf
die Komplexität eines Organismus schließen können.“
Die Studie
folgt mehreren jüngeren Veröffentlichungen zur Evolution der Genomgröße
von Insektenarten und betrachtet diese im Kontext der Verwandtschafts-
und Verbreitungsgeschichte. Keine der bisherigen Studien konnte jedoch
die Frage beantworten, warum ausgerechnet einige Heuschreckenarten so
große Genome haben. Generell haben Insekten eher kleine Genome. Das der
Fruchtfliege ist beispielsweise nur ein Sechstel so groß wie das des
Menschen.
Genome von Tieren sind sehr unterschiedlich groß.
Selbst zwischen verwandten Gruppen können sich die Erbgutinformationen
deutlich unterscheiden. Da bei jeder Zellteilung auch das komplette
Genom verdoppelt werden muss, suchen Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler nach Ursachen für diese Variabilität. Sie versuchen, die
Architektur und den Inhalt von Genomen besser zu verstehen, sehen sich
hier jedoch noch am Anfang. Von den mehr als einer Million beschriebener
Insektenarten liegen nur von insgesamt 1.345 Größenangaben zum Genom
vor. Dabei wurden die größten Genome bislang bei Heuschrecken gefunden.
Um
ein besseres Verständnis der Genomgrößenvariation bei Heuschrecken und
möglichen Veränderungen im Zuge der Evolution der Arten zu erhalten,
haben die Forschenden für die Studie die Genomgröße von 50
Heuschreckenarten gemessen und Veränderungen bei verwandten Arten in
unterschiedlichen Gebieten betrachtet. Dabei fanden sie heraus, dass die
Gefleckte Schnarrschrecke das bisher größte gemessene Genom aller
Insekten besitzt und damit die Asiatische Wüstengrille (Deracantha onos)
als Rekordhalter ablöst.
In weiterführenden, sequenz-basierten
genomischen Studien sieht Oliver Hawlitschek eine Möglichkeit, mehr über
die zugrundeliegenden evolutionären Mechanismen, die Einfluss auf die
Größe von Genomen haben, zu erfahren. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass
wir durch die Untersuchung dieser Extreme auch noch viel über die
Funktion unserer menschlichen Genome lernen werden.“
Den Artikel finden Sie unter:
https://leibniz-lib.de/2023-03-16-genom-insekt/
Quelle: Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (03/2023)
Publikation: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0275551 |