Die Braunkohle im Rheinischen Revier wird auch von der chemischen Industrie genutzt, um wichtige Grundchemikalien herzustellen. Doch spätestens nach dem Kohlestopp müssen diese Chemikalien auf anderen Wegen gewonnen werden. Ein Beispiel ist Kohlenmonoxid, kurz: CO, das für die Produktion von Kunststoffen und Essigsäure verwendet wird. Wissenschaftler vom Forschungszentrum Jülich arbeiten hierzu an einer klimafreundlichen Technik, die auf erneuerbar erzeugtem Strom basiert. Mittels CO2-Elektrolyse wird dabei klimaschädliches CO2 direkt in Kohlenmonoxid umgewandelt. Eine wichtige Hürde haben die Forscher nun genommen und einen skalierbaren Zell-Stack für großtechnische Anwendungen entwickelt.
Die Arbeiten sind Teil des Strukturwandelprojekts iNEW, das die
Entstehung und Sicherung von Arbeitsplätzen im Rheinischen Revier
vorantreiben soll. „CO muss von der Industrie meist großtechnisch vor
Ort hergestellt werden. Es lässt sich nur schwierig transportieren, denn
es handelt sich um ein giftiges und hochentzündliches Gas“, erklärt
Maximilian Quentmeier, Doktorand am Jülicher Institut für Energie- und
Klimaforschung (IEK-9). Standardmäßig wird dazu Kohle mit sehr wenig
Sauerstoff verbrannt. Doch spätestens nach dem Kohlestopp müssen andere
Verfahrenswege her. Denn als Basischemikalie wird CO weiterhin benötigt,
unter anderem für die Produktion von Polycarbonaten und Polyurethanen,
aus denen beispielsweise Brillengläser und Dämmplatten hergestellt
werden.
Gemeinsam mit seinem Betreuer Bernhard Schmid arbeitet
Quentmeier dafür an einem Verfahren, das auch als CO2-zu-CO-Elektrolyse
bezeichnet wird. Der Ansatz greift auf eine sogenannte
Gasdiffusionselektrode zurück: eine poröse Elektrode, die an der
Rückseite mit CO2 umspült wird und an der Vorderseite an einen flüssigen
oder festen Elektrolyten angrenzt. Die Elektrode bringt die beiden
Medien und den elektrischen Strom zusammen und sorgt so dafür, dass am
Ende „grünes“ Kohlenmonoxid, CO, entsteht.
Klimanegativer Pfad möglich
Das
Verfahren ist nicht nur interessant für die Chemieindustrie, es ist
auch gut fürs Klima. „Entsprechende Anlagen arbeiten klimaneutral, wenn
sie mit grünem Strom betrieben werden. Zieht man das Kohlendioxid aus
der Atmosphäre, beispielsweise mittels Direct Air Capture oder entnimmt
es aus Biogasanlagen oder Zementwerken, ist die Technik sogar potenziell
klimanegativ“, erläutert Bernhard Schmid.
Unterm Strich könnte
die Technologie also dazu beitragen, die CO2-Konzentration in der
Atmosphäre aktiv zu verringern. „Im Prinzip wären so Kunststoffe
machbar, die als Kohlenstoffsenke dienen – praktisch eine Art
künstliches Holz, das atmosphärischen Kohlenstoff enthält und
einspeichert, wenn es verbaut wird“, so Schmid.
Meilenstein zur Praxisreife erreicht
Einen
wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur praktischen Anwendung haben
Quentmeier und Schmid bereits erreicht. Sie haben das Konzept durch
zahlreiche Verbesserungen und den Austausch von Komponenten bis zur
Stackreife getriebn und in ersten Leistungstests erprobt. Die Ergebnisse
der Forschung wurden kürzlich im renommierten Fachmagazin ACS
Sustainable Chemical Engineering vorgestellt.
In einem Stack
werden handliche Zellen kompakt aufeinandergestapelt. In dieser Form
sind sie deutlich einfacher herzustellen und zu betreiben als eine große
Einzelzelle, was die Anlage viel günstiger macht. „Beim Aufbau eines
solchen Stacks sind mehrere Dinge zu beachten. Die Zellen für die
Gasreaktion weisen naturgemäß viele Hohlräume auf. Diese müssen dem
Druck standhalten und gleichzeitig maximal durchlässig sein“, erklärt
Maximilian Quentmeier.
Unter Prozessbedingungen haben die
Jülicher Forscher dazu das Design des Gas- und Stromverteilers
optimiert. Als stützendes Element kommt anstelle des üblicherweise
flüssigen ein fester Elektrolyt aus leitfähigem Kunstharz zum Einsatz,
der den Zellen zusätzlich Stabilität verleiht. Hohlräume, die
typischerweise zwischen Membran und Anode auftreten, konnten die
Forscher durch ein geschicktes Anoden-Design gänzlich eliminieren.
Angrenzende positive und negative Elektroden, Kathode und Anode, wurden
für den Stack zudem durch ein einziges Bauteil ersetzt, das sich zwei
Zellen teilen.
In einem Versuchsaufbau mit modularen
Laborbauteilen, die noch nicht auf Effizienz getrimmt sind, erzielt der
Stack einen Wirkungsgrad von 30 Prozent. „Für diesen Prozesstyp, der
schon bei unter 100 Grad Celsius abläuft, ist das bereits ein sehr guter
Wert“, erklärt Institutsdirektor Prof. Rüdiger-A. Eichel. „Anders als
etwa bei der Hochtemperatur-Ko-Elektrolyse, fällt hier bei einem
vergleichsweise unkomplizierten Anlagen-Aufbau kein Synthesegas, sondern
direkt reines Kohlenmonoxid an, was die Weiterverarbeitung für viele
Anwendungsfälle vereinfacht. Für viele Industriebetriebe im Rheinischen
Revier kann CO damit als Basischemikalie dezentral bereitgestellt
werden.“, so Eichel. Als nächste Schritte stehen nun weitere
Entwicklungen und Effizienzverbesserungen auf dem Plan, um dem Zellstack
den letzten Schliff für die Serienreife zu geben.