Neue Chancen und Herausforderungen für Parkinson-Diagnose und Entwicklung spezifischer Therapien |
Die Zukunft der Parkinson-Behandlung liegt in zielgerichteten Therapien, die an der Ursache ansetzen. Dabei wächst der Stellenwert von Genetik und Biomarkern in der Parkinson-Forschung. „Neue Biomarker zur Einordnung der vorherrschenden Pathologie und Stoffwechselwege sind zum Beispiel für klinische Studien im Bereich neuer Wirkstoffe sehr wichtig“, sagt PD Dr. Kathrin Brockmann, Oberärztin und Leiterin der Parkinson-Ambulanz am Universitätsklinikum Tübingen und 3. Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG). Anlässlich des virtuellen Kongresses „Highlights Digital 2023“ der DPG fasste sie aktuelle Forschungsergebnisse zu Genetik und Biomarkern zusammen.
Fortschritte bei der Erforschung genetischer RisikovariantenDie
Entstehung der Parkinson-Krankheit hat vielfältige Ursachen, so
Brockmann. Bestimmte genetische Veränderungen sowie auch nicht
genetische Risikofaktoren können das Erkrankungsrisiko erhöhen. Zu
Letzteren zählt insbesondere das Altern, aber auch der langjährige
Gebrauch von Pestiziden oder wiederholte Hirntraumata. Die
technischen Fortschritte der letzten Jahre haben der Forschung nach den
genetischen Ursachen einen bedeutsamen Schub gegeben. „Es ist gelungen,
neben klaren erblichen Formen auch wichtige genetische Risikovarianten
zu identifizieren“, berichtet Brockmann. So kennen wir neben den
seltenen Mutationen in den Genen LRRK2, Parkin und PINK1 vor allem
Mutationen im GBA-Gen als derzeit wichtigsten genetischen Faktor für die
Parkinson-Erkrankung. „Die Kenntnis über die im Rahmen von
genetischen Mutationen beteiligten Stoffwechselwege wird zu
vielversprechenden Entwicklungen im Bereich der
krankheitsmodifizierenden und -spezifischen Therapieentwicklung
beitragen“, so die Einschätzung von Brockmann.
Internationale Register für Studien mit genspezifischen TherapienAktuell
etablieren sich zahlreiche internationale Konsortien, die
Parkinson-Patient:innen nach ihrem Mutationstyp stratifizieren. „Ziel
dieser Initiativen ist es, die unterschiedlichen genetischen Subtypen
klinisch und auch biologisch noch besser zu beschreiben und zu
stratifizieren, um geeigneten Patient:innen eine Teilnahme an klinischen
Studien mit genspezifischen Therapieansätzen anbieten zu können“,
erläutert Brockmann.
Individuelles Krankheitsbild: Biomarker zeigen, wer von welcher Therapie profitiertDie
Parkinson-Erkrankung hat nicht nur eine genetische Komponente, sie wird
auch durch externe Faktoren beeinflusst. „Pflanzenschutzmittel wie
Herbizide und Pestizide begünstigen die Parkinson-Erkrankung. Dem
gegenüber stehen aber auch wichtige schützende Faktoren wie z. B. eine
regelmäßige sportliche Betätigung, die das Erkrankungsrisiko senken
kann“, schildert Brockmann. Die äußeren Umstände modulieren also in
komplexer Art und Weise das individuelle Krankheitsrisiko und auch den
Verlauf, betont die Expertin. Die Heterogenität in der
Krankheitsentstehung als Zusammenspiel genetischer und externer Faktoren
unterstreicht den Bedarf an Biomarkern, die zwischen den jeweils
beteiligten Stoffwechselwegen sowie den zugrunde liegenden Pathologien
unterscheiden können. „Durch den Einsatz spezifischer Biomarker könnte
so gezielt identifiziert werden, welche Menschen höchstwahrscheinlich
von einem bestimmten Therapieansatz profitieren und welche von einem
anderen“, berichtet Brockmann.
Neue Methode weist fehlgefaltetes Alpha-Synuclein im Hirnwasser nachViele
unterschiedliche Stoffwechselwege führen zur Parkinson-Erkrankung und
zu deren Voranschreiten. Bei der Mehrzahl der Menschen mit Parkinson
haben sie eine gemeinsame Endstrecke: die Ausbreitung und Ablagerung des
fehlgefalteten Eiweißes Alpha-Synuclein. Dieses ist somit – neben den
einzelnen ursachenspezifischen molekularen Defekten – ein zentraler
Angriffspunkt für modifizierende Therapien. „Da es derzeit tatsächlich
erste Studien mit Impfungen gegen fehlgefaltete Formen des
Alpha-Synucleins gibt, stehen wir vor der großen Herausforderung
vorherzusagen, bei welchen Patient:innen besonders viel von dem
fehlgefalteten Alpha-Synuclein vorliegt, welches das Fortschreiten der
Erkrankung treibt“, erklärt Brockmann. Seit Kurzem ist es mithilfe eines
neuen sogenannten seed amplification assay (SAA) erstmals möglich, das
Vorhandensein von fehlgefaltetem Alpha-Synuclein individuell bei einem
Patienten oder einer Patientin mit einer 95-%-Genauigkeit zu messen. Am
besten gelingt dies aktuell im Hirnwasser, doch es werden auch Analysen
in Blut, Haut und Schleimhaut versucht. Interessanterweise zeigen
sich dabei im Hirnwasser bei Patient:innen mit genetischen Veränderungen
je nach betroffenem Gen ganz unterschiedliche Profile [3]. So wiesen 93
% der Parkinson-Patient:innen mit Mutationen im GBA-Gen ein klares
Alpha-Synuclein-Profil auf, während dies in nur 78 % der Patient:innen
mit Mutation im LRRK2-Gen zu finden war und Patient:innen mit zwei
Mutationen in den Genen Parkin oder PINK1 gar kein fehlgefaltetes
Alpha-Synuclein im Nervenwasser aufwiesen. Somit eignet sich die
(Nervenwasser-)Analyse mit diesem neuen SAA zur Identifizierung von
Patient:innen mit besonders viel fehlgefaltetem Alpha-Synuclein. Dies
wiederum ist für Alpha-Synuclein-gerichtete Therapieansätze relevant,
schlussfolgert die Expertin.
Den Artikel finden Sie unter:
https://parkinson-gesellschaft.de/die-dpg/presseservice/pressemeldungen/177-biomarker-und-gene
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e.V. (DPG) (03/2023) |