Immunzellen verfügen über einen Backup-Mechanismus |
Das Enzym TBK1 ist ein wichtiger Baustein des angeborenen Immunsystems, der vor allem bei der Abwehr von Viren eine Rolle spielt. Ist die Aktivität von TBK1 durch Mutationen gestört, zeigen Patienten eine gesteigerte Anfälligkeit gegenüber Virusinfektionen. Wird TBK1 hingegen gar nicht exprimiert, zeigt sich dieser klinische Effekt nicht. Welcher Mechanismus sich hinter dieser vermeintlichen Diskrepanz verbirgt, konnte nun von Forschenden um Prof. Martin Schlee vom Universitätsklinikum Bonn und vom Exzellenzcluster ImmunoSensation2 der Universität Bonn aufgeklärt werden.
Virale Bestandteile werden im menschlichen Körper von so genannten
Pattern Recognition Rezeptoren (PRRs) innerhalb der Zelle oder auf der
Zelloberfläche erkannt. Diese lösen bei Aktivierung eine Signalkaskade
aus, die letztendlich in der Produktion von Signalmoleküle wie
Interferonen und Zytokinen und deren Ausschüttung mündet. Diese
Botenstoffe alarmieren benachbarte Immunzellen und machen sie auf die
Virusinfektion aufmerksam, so dass eine Immunreaktion erfolgt.
Bestandteil
dieser Signalkaskade ist das Enzym TANK Binding Kinase 1 (TBK1). Werden
virale Bestandteile durch PRRs erkannt, wird TBK1 aktiviert. TBK1 setzt
wiederum zwei Transkriptionsfaktoren in Gang, die in den Zellkern
wandern und dort die Transkription von Interferon- und Zytokin-Genen
anwerfen.
Anfälligkeit für VirusinfektionenPunktmutationen
im TBK1-Gen können zu einem Funktionsverlust von TBK1 führen. Dieser
schlägt sich beim Menschen in einer klinischen Anfälligkeit für
Virusinfektionen nieder. Erstaunlicherweise ist dieser Effekt nicht zu
beobachten, wenn TBK1 nicht exprimiert wird und somit in der Zelle
fehlt. „Ein vollständiges Fehlen der TBK1-Expression beim Menschen ist
überraschenderweise nicht mit einer verminderten antiviralen Reaktion
verbunden“, sagt Prof. Martin Schlee vom Institut für Klinische Chemie
und Klinischen Pharmakologie am Universitätsklinikum Bonn. Bislang war
unklar, warum ein vollständiger Verlust der TBK1-Expression hinsichtlich
der Immunkompetenz besser toleriert wird als eine Mutation von TBK1,
die die Kinase-Funktion betrifft.
Die Bonner Forscher konnten nun
eine Erklärung für diese bisher unerklärte Beobachtung liefern. „Dabei
spielt ein zweites Enzym, das der TBK1 sehr ähnlich ist, eine wichtige
Rolle: die IkB kinase epsilon, oder kurz IKKepsilon,“ erklärt Dr. Julia
Wegner, Erstautorin der Studie. Genau wie TBK1 ist IKKepsilon den PRRs
nachgeschaltet und kontrolliert die Expression von Interferonen. Auch in
ihrem Aufbau sind sich die beiden Proteine sehr ähnlich und weisen eine
Sequenzhomologie von über 60 Prozent auf. Neu ist der Befund, dass TBK1
einen direkten Einfluss auf IKKepsilon hat. „In myeloiden Zellen
konnten wir zeigen, dass TBK1 die Expression der verwandten Kinase
IKKepsilon reguliert“, ergänzt Dr. Wegner.
Keine halben SachenTBK1
verringert die Stabilität von IKKepsilon. Dieser Vorgang ist von der
enzymatischen Funktion des Proteins unabhängig. „Ein durch Punktmutation
nichtfunktionales TBK1 ist entsprechend trotzdem in der Lage,
IKKepsilon zu destabilisieren“, erklärt Prof. Gunther Hartmann, Direktor
des Instituts für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie und
Sprecher des Exzellenzclusters ImmunoSensation2. „Dies führt in
menschlichen Immunzellen zu einem kontinuierlichen Abbau der Kinase
IKKepsilon.“
Zusammengefasst führt also der Verlust der
TBK1-Expression zu einem erhöhten Vorkommen von IKKepsilon. Dieser
Mechanismus stellt sicher, dass trotz Abwesenheit von TBK1 eine
antivirale Immunreaktion ablaufen kann. Ein durch Punktmutationen
herbeigeführter Funktionsverlust von TBK1 hingegen verhindert die
Destabilisierung und den Abbau von IKKepsilon nicht, so dass
letztendlich beide Faktoren in der Virusabwehr fehlen. Eine erhöhte
Anfälligkeit für Virusinfektionen ist die Folge.
Die Waffen eines VirusIm
gesunden Organismus können also erhöhte Mengen der Kinase IKKepsilon
den Verlust von TBK1 ausgleichen. Das ist besonders wichtig, wenn Viren
die körpereigene Abwehr gezielt ausschalten wollen. Das Herpes-Simplex
Virus 1 (HSV-1), das Humane Immundefizienz Virus (HIV), aber auch das
Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) sind in der
Lage, TBK1 gezielt auszuschalten. Auch sind verschiedene Bakterienarten
in der Lage, den Abbau von TBK1 zu bewirken. „Unsere Daten zeigen
eindeutig, dass menschliche Immunzellen über einen wichtigen
Backup-Mechanismus verfügen“, erläutert Dr. Wegner. „Sie sind in der
Lage, eine effektive antivirale Antwort aufrecht zu erhalten, auch wenn
es zu einem pathogen-induzierten Abbau von TBK1 kommt. Darüber hinaus
greift der Mechanismus auch bei genetischem Verlust von TBK1“.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-bonn.de/de/neues/029-2023
Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (03/2023)
Publikation: Wegner
Julia, Hunkler Charlotte, Ciupka Katrin, Hartmann Gunther, Schlee
Martin (2023); Increased IKKepsilon protein stability ensures efficient
type I interferon responses in conditions of TBK1 deficiency; Frontiers
in Immunology , Vol. 14; DOI: 10.3389/fimmu.2023.1073608 |