Sterblich unter Unsterblichen: Genom von Hydra oligactis entschlüsselt
Eine Hydra aus dem Piburger See in Tirol könnte neue Erkenntnisse über diese außergewöhnlichen Tiere liefern. Die Erbinformation des Süßwasserpolypen der Art Hydra oligactis wurde am Institut für Zoologie der Universität Innsbruck zum ersten Mal vollständig entschlüsselt. Diese Leistung der Arbeitsgruppen von Bert Hobmayer und Peter Ladurner ist deswegen so interessant, weil Hydra oligactis sich in einer Eigenschaft grundlegend von anderen Hydrenarten unterscheidet: Sie kann sterben.
Die Hydra ist auf den ersten Blick ein unscheinbares Tier. Am Ende
eines länglichen, nur wenige Millimeter langen Körpers sitzen mehrere
Tentakel. Was sie für die Forschung so interessant macht, ist, dass sie
als praktisch unsterblich und frei von Tumorbildung gilt. Hydren
erneuern permanent ihr Gewebe, können Körperteile nachwachsen lassen
oder aus einzelnen Zellen einen ganzen Organismus neu ausbilden.
Stressbedingte Alterung liefert Antworten
Die
Arbeitsgruppe von Bert Hobmayer forscht am Institut für Zoologie der
Universität Innsbruck schon lange an diesen Lebewesen, unter anderem
wurden zuletzt die Entstehung ihrer Körperachse und der
Differenzierungsweg ihrer Stammzellen beschrieben. Nun konnte das
Innsbrucker Team die gesamte Erbinformation von Hydra oligactis mithilfe
der neuesten DNA-Sequenzierungstechnologie, dem Oxford Nanopore
Sequencing, bestimmen und analysieren. Dies war die letzte Hydrenart,
deren Genom bisher noch nicht vollständig bekannt war. Die Ergebnisse
sind deswegen so interessant, weil Hydra oligactis, im Gegensatz zu
allen anderen Hydrenarten, Tumore ausbilden und sterben kann.
„Die
Hydra, die wir untersucht haben, stammt aus dem Piburger See in Tirol“,
erzählt Bert Hobmayer. „Für unsere Analyse haben wir ein Exemplar
ausgewählt, das besonders starke Anzeichen von stressbedingter Alterung
gezeigt hat. Dieses Tier wurde im Labor klonal vervielfältigt. Nun, da
wir das Genom von Hydra oligactis genau kennen, können wir viel präziser
untersuchen, welchen Beitrag einzelne Gene zum stress-induzierten
zellulären Altern in diesen Tieren leisten. Diese molekularen Prozesse
können wir dann vergleichend in anderen Arten untersuchen, deren Zellen
nicht altern und die nicht sterben.“
Genetische Mechanismen entschlüsselt
Die
Arbeit der Innsbrucker Forscher*innen war Teil eines internationalen
Projektes unter der Leitung von Celina Juliano an der University of
California in Davis, dessen Ergebnisse letzte Woche als Cover-Story im
Fachjournal Genome Research veröffentlicht wurden. Ein internationales
Team hat darin zum ersten Mal in umfassender Weise die Prinzipien der
Genregulation in Hydren untersucht.
Die Stammzellen des
Süßwasserpolypen sind bereits eingehend erforscht worden und liefern
wertvolle Informationen dazu, wie Gewebezellen sich aus Stammzellen
differenzieren. Allerdings war bisher nur wenig über die genetischen
Mechanismen bekannt, durch die diese Stammzellen sich erhalten und sich
ausdifferenzieren.
Das Forschungsteam hat nun das Wissen um den
genetischen Aufbau verschiedener Hydrenarten grundlegend erweitert.
Neben Hydra oligactis wurde auch das Genom einer weiteren Hydrenart
sequenziert, die Genaktivierung einzelner Zellen untersucht und
katalogisiert, sowie das gesamte Epigenom von Hydra analysiert. Mit dem
Epigenom sind chemische Markierungen und Modifikationen an der DNA
gemeint, die auch umweltbedingt auftreten können. Diese beeinflussen,
welche Gene häufiger ausgelesen werden und welche seltener. Damit hat
das Epigenom eine große Auswirkung auf die Entwicklung von Zellen und
von Krankheiten wie z.B. Krebs. Die gewonnenen Daten bilden eine
wichtige Grundlage, um die Stammzellen, die Regeneration und das Altern
der Hydren weiter zu erforschen