Genetisches Geheimnis der Ackerbohne gelüftet |
Die Ackerbohne, Vicia faba, weist mit ihren proteinreichen Samen ein hohes Potential für die Proteinerzeugung in den ermäßigten Klimazonen Mitteleuropas auf. Als insektenfreundliche Leguminose mit geringem Düngungsbedarf trägt sie zudem zur Erhöhung der Nachhaltigkeit und Biodiversität in der Landwirtschaft bei. Jedoch gilt sie als besonders empfindlich für Dürre und Hitze, die infolge des Klimawandels der europäischen Landwirtschaft zunehmend zusetzen. In dieser Hinsicht konnten leider bei der Ackerbohne, im Vergleich zu bedeutenderen Kulturpflanzen wie Mais, Weizen oder Raps, in den vergangenen Jahrzehnten nur geringe Zuchtfortschritte verzeichnet werden. Das lag unter anderem auch daran, dass es an Voraussetzungen und Ressourcen für den Einsatz moderner Züchtungsmethoden fehlte.
Ein großes Hindernis stellte dabei das enorme Genom der Ackerbohne
dar. Zwar besteht dies aus nur sechs Chromosomenpaaren – im Vergleich
besitzen Menschen, mit 23 Paaren, fast die vierfache Chromosomenzahl.
Jedoch besitzt allein nur eins der sechs Ackerbohnenchromosomen, mit
fast 4 Milliarden Basenpaaren, mehr DNA als das gesamte Humangenom,
womit es zu den größten bekannten Chromosomen überhaupt zählt. Die
vollständige Sequenzierung des Ackerbohnengenoms galt daher lange Zeit
als nahezu unmöglich.
Mit Hilfe neuester
DNA-Sequenzierungstechnologien ist es nun aber einem internationalen
Forschungskonsortium doch noch gelungen, das Genom mit erstaunlicher
Präzision zu Entschlüsseln. Das Erfolgserlebnis hat das Konsortium,
unter Anleitung dänischer und deutscher Pflanzengenetikerinnen und
-genetiker, kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“
veröffentlicht. Einen wesentlichen Beitrag daran hatte die
Agrarbioinformatikerin Dr. Agnieszka Golicz,
Sofia-Kovalevskaya-Gruppenleiterin an der Professur für Pflanzenzüchtung
der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und eine von drei
Hauptautorinnen bzw. -autoren der Studie. Ihr ist es gelungen, das
vollständig Genom der modernen Ackerbohnensorte „Tiffany“ aus langen
Sequenzstücken zusammen zu stückeln und mit dem Genom einer älteren
Sorte, das parallel sequenziert wurde, im Detail zu vergleichen. Mit
Hilfe dieses Vergleichs konnte das Konsortium unter anderem auch
entscheidende Gene aufdecken, die für wichtige Merkmale wie Samengröße
und Inhaltsstoffe kodieren.
Neben der enormen Größe zeichnete
sich das Ackerbohnengenom auch durch einige überraschenden Eigenschaften
aus. Insbesondere wurde eine rasante, fortschreitende Ausbreitung so
genannter Transposons festgestellt. Diese kurzen Sequenzelemente – auch
bekannt als „springende Gene“ – verursachen offensichtlich unerwartet
oft Verdopplungen oder das Löschen von Ackerbohnengenen. Da Genkopien
und fehlende Gene häufig neue Diversität für die evolutionäre Anpassung
verursachen – etwa an Klimaänderungen – können sie auch züchterisch sehr
relevant sein.
Darüber freut sich auch Prof. Dr. Rod Snowdon,
Professor für Pflanzenzüchtung an der JLU und ebenfalls an der Studie
beteiligt: „Die Ackerbohnenzüchtung war bislang besonders langwierig und
schwer, weil Genomressourcen und -daten für die gezielte Selektion mit
modernen Methoden nicht zur Verfügung standen. Mit der Bereitstellung
des Genoms sind wir nun in der Lage, Ackerbohnen für die
Herausforderungen des Klimawandels zielgerichteter zu züchten und den
Anbau als wertvolle, heimische Pflanzenproteinquelle in Zukunft zu
sichern“.
Auf der Grundlage dieses Erfolges hat das
Forschungsteam der JLU nun in weiterführenden Forschungsprojekten viel
vor. In einem neuen Forschungsvorhaben zielt Agnieszka Golicz nun auf
die Entschlüsselung der Genome von vielen weiteren Ackerbohnensorten, um
die speziesweite Diversität zu erfassen. Und im neuen Internationalen
Graduiertenkolleg „Beschleunigung des Zuchtfortschrittes“, das 2023 an
der JLU in Zusammenarbeit mit der Universität Queensland, Australien
startet, steht die Ackerbohne als Beispielpflanze mit erheblichem
Züchtungsbedarf ebenfalls im Mittelpunkt. Vor wenigen Jahren, bei
fehlenden Genominformation, fast undenkbar.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-giessen.de/de/ueber-uns/pressestelle/pm/pm36-23genetischesgeheimnisderackerbohnegelueftet
Quelle: Justus-Liebig-Universität Gießen (03/2023)
Publikation: Jayakodi,
M., Golicz, A.A., Kreplak, J. et al. The giant diploid faba genome
unlocks variation in a global protein crop. Nature (2023). https://doi.org/10.1038/s41586-023-05791-5 |