Grünes Gold: Torrefizierte Biomasse ersetzt Kohle und Öl |
Im Februar nahm das estnische Start-up New Standard Oil erfolgreich den ersten großtechnischen Prototyp zur Trocknung und Torrefizierung von biogenen Reststoffen in Betrieb. Die Anlage arbeitet mit Heißdampf bei Atmosphärendruck und damit äußerst energieeffizient. Bei dem Prozess, der am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart entwickelt wurde, entstehen wertvolle Ausgangsstoffe für Chemie- und Energiewirtschaft: Grundchemikalien, Biokohle und Wasser.
Pflanzliche Biomasse gilt als klimafreundliche Alternative zu
fossilen Rohstoffen. Für die stofflich-chemische Nutzung werden
nachwachsende Rohstoffe und Reststoffströme aus Land- und
Forstwirtschaft oder nachgelagerten Industrien häufig über
biotechnologische oder chemische Umwandlungsprozesse zu speziellen
Chemikalien, etwa Zuckern oder Polymerbausteinen, umgesetzt.
Einen
anderen Weg, der eine vollständige Nutzung von Biomasse in einem
einzigen Verfahren erlaubt, verfolgt das Start-up New Standard Oil aus
Estland: Es setzt auf die thermische Veredlung und Fraktionierung von
biogenen Reststoffen wie Holz und Heu, um diese rückstandsfrei in
»grüne« Chemikalien und »grüne« Kohle umzusetzen. Möglich macht das ein
am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB
bis zum Pilotmaßstab entwickeltes Verfahren, bei dem Biomasse in einer
geschlossenen Atmosphäre aus überhitztem Wasserdampf ohne Sauerstoff
erhitzt und dabei torrefiziert, das heißt thermochemisch zersetzt, wird.
Torrefizierung liefert grüne Chemikalien und grüne Kohle»Wir
haben bereits in den letzten Jahren mit New Standard Oil
zusammengearbeitet und freuen uns, dass wir das Start-up nun als
weltweiten Lizenznehmer für unser Know-how zur wertschöpfenden
Torrefizierung von Biomasse mit Heißdampf bei Atmosphärendruck und zur
Valorisierung der Chemikalien gewinnen konnten«, sagt Dr.-Ing. Antoine
Dalibard vom Fraunhofer IGB.
Das Verfahren der Torrefizierung
funktioniert ähnlich wie eine milde Pyrolyse und schließt sich an einen
Trocknungsschritt an, bei dem das in der Biomasse gebundene Wasser
verdampft. »In derselben Anlage treiben wir bei Temperaturen zwischen
200 bis 300 Grad Celsius dann die leichter flüchtigen Stoffe der
Biomasse aus, die vor allem aus der Hemicellulose, einem der drei
Hauptbestandteile von Biomasse, stammen«, erläutert der Experte für
thermische Trenntechnik.
Einer der wesentlichen Vorteile des
Verfahrens ergibt sich aus der speziellen Konstruktion der
Heißdampf-Trocknungsanlage. »Die Gasphase enthält neben dem
ausgetriebenen Wasser auch die wertvollen flüchtigen Verbindungen. Wenn
wir die Gasphase abkühlen, erhalten wir ein Kondensat, das wir mit
anschließenden Trennverfahren wie Destillation, Extraktion oder
Elektrodialyse zu verschiedenen chemischen Grundstoffen auftrennen
können«, so Dalibard. Der Ingenieur hat das Verfahren am Fraunhofer IGB
weiterentwickelt, skaliert und auch mögliche Folgeprozesse zur
Wertschöpfung der frei werdenden Chemikalien untersucht.
Als
Feststoff bleibt die torrefizierte Biomasse zurück, eine Art »Biokohle«.
Gegenüber der unbehandelten Biomasse ist ihr Kohlenstoffgehalt und
damit ihr Brennwert deutlich erhöht. Zu Staub vermahlen oder zu Pellets
verpresst kann die »grüne« Kohle beispielsweise zur klimaneutralen
Feuerung von Kraftwerken eingesetzt werden und fossile Kohle oder auch
Erdgas ersetzen.
Großtechnischer Prototyp für eine Energie- und Kohlenstoffwirtschaft ohne Emissionen»Angesichts
steigender Energiepreise und eines historischen Tiefstands bei der
Energiesicherheit haben wir in dieses Verfahren investiert und wollen
mit der Uniformer®-Technologie, wie wir sie genannt haben, eine saubere
und kohlenstoffneutrale Energieversorgung Wirklichkeit werden lassen«,
sagt Sven Papp, einer der vier Mitbegründer von New Standard Oil. Im
Februar 2023 hat das Start-up an seinem Sitz in Paldiski, Estland,
seinen ersten großtechnischen Prototyp in Betrieb genommen, um schnell
wachsende Biomassen und biogene Reststoffe in dem etablierten
Kaskadenprozess aus Trocknung und Torrefizierung in Wasser, Chemikalien
und Biokohle umzuwandeln. Selbst die im Prozess anfallende Abwärme will
das junge Unternehmen nutzen, beispielsweise zur Einspeisung ins
Wärmenetz.
»Unser Prototyp Uniformer® kann bis zu 150 Kilogramm
Biomasse pro Stunde verarbeiten und produziert bereits jetzt aus
Holzhackschnitzeln oder Heu zu 100 Prozent vermarktbare Produkte:
Biokohle als festen Biobrennstoff auf Braunkohle-Niveau, grüne
Chemikalien wie Methanol, Furfurale und weitere Basischemikalien, zudem
destilliertes Wasser sowie die Prozesswärme«, bestätigt Sven Papp die
Ergebnisse des Fraunhofer IGB.
Als Brennstoff in
Blockheizkraftwerken kann die Biokohle neben Strom auch Wärme liefern.
Ein Pluspunkt für Energiesicherheit und Netzstabilität: Der Strom ist
schnell regelbar und kann bei Bedarf nachts oder bei Flaute abgerufen
werden, wenn Sonne und Wind nicht ausreichend Energie liefern. »Unseren
Berechnungen zufolge könnte mithilfe dieses neuen innovativen Ansatzes
der Preis für erneuerbaren Strom aus Biokohle sogar unter dem aus an
Land erzeugter Windenergie liegen«, führt Papp aus. Die Gründer sind
optimistisch und bereiten unterdessen die Kommerzialisierung ihrer
ersten Uniformer®-Anlagen für den europäischen Markt vor.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.igb.fraunhofer.de/de/presse-medien/presseinformationen/2023/gruenes-gold-torrefizierte-biomasse-ersetzt-kohle-und-oel.html
Quelle: Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB (03/2023) |