Erbgut schädigende Verbindungen in Pflanzenölen nachgewiesen
Pflanzenöle, die reich an ungesättigten Fettsäuren sind, werden für eine gesunde Ernährung sehr empfohlen. Doch so gesund wie gedacht sind diese Öle nicht: Prof. Dr. Gertrud Morlock, Inhaberin der Professur für Lebenswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), hat zusammen mit dem Doktoranden Daniel Meyer mit einem neuartigen Verfahren erstmalig beachtliche Mengen an Erbgut schädigenden Substanzen in Pflanzenölen nachgewiesen. Das Forscherteam untersuchte 31 Produkte, in denen bis zu acht unterschiedliche Genotoxine nachgewiesen wurden. Analysiert wurden Olivenöl, Sonnenblumenöl, Rapsöl, Distelöl, Leinöl, Sesamöl, Kokosöl, Erdnussöl, Hanföl und Walnussöl, darunter auch Bio-Produkte.
Genotoxische Substanzen lösen Veränderungen an der DNA aus, dem
genetischen Material von Zellen. Die Charakterisierung mittels
hochauflösender Massenspektrometrie ergab, dass oxidierte Linolensäure
in allen Proben eine Quelle der Genotoxizität darstellt. Die Menge der
schädlichen Verbindungen in den untersuchten Ölen stieg mit zunehmender
Lagerung an der Luft. Insbesondere die gesunden ungesättigten Fettsäuren
sind dafür bekannt, dass sie anfällig für eine Oxidation sind, was zur
Bildung von Epoxiden führt. „Epoxidierte Fettsäuren bespielsweise sind
in ihrer genotoxischen Wirkung bereits bekannt, wurden bislang aber
nicht in Pflanzenölen nachgewiesen“, so die Erstautorin Prof. Dr.
Morlock. „Unsere Analysen sind von großer Bedeutung, denn Pflanzenöle
stecken in fast allen Lebensmitteln, in vielen Nahrungsergänzungsmitteln
und Kosmetika.“
Bei dem neuartigen Verfahren kombinierte das
Forscherteam Methoden aus der Chemie und der Biologie auf einer
Oberfläche: die chromatographische Trennung und den Wirkungsnachweis.
„Mit dieser Methode erhält man deutlich aussagekräftigere
Wirkstoffprofile als bislang möglich und kann genotoxische Verbindungen
in komplexen Proben differenzierter und mit höherer Sensitivität
visualisieren“, so Prof. Dr. Morlock. Diese wirkungsbezogene Analytik
mittels sogenannter Planar-Chromatographie hat sie an der JLU etabliert.
„Die aktuell in der Lebensmittelanalytik verwendeten Methoden geben die
Schadstoffbelastung mit Genotoxinen in komplexen Lebensmitteln wie Ölen
nicht richtig wieder, da deren Signale von übermächtigen anderen
Signalen überlagert werden.“ Prof. Dr. Morlock plädiert daher für einen
Paradigmenwechsel bei der Analytik hin zu planaren bildbasierten
Wirkstoffprofilen, um die Verbrauchersicherheit insbesondere bei
Basislebensmitteln zu erhöhen.
Um das leistungsstarke neue
Verfahren zu verbreiten, wurde es als portables Open-Source-System
miniaturisiert, das sie mit ihrer Arbeitsgruppe entwickelt hat und das
weltweit einzigartig ist. Im Vergleich zu anderen Methoden ist es sehr
nachhaltig bezüglich des geringeren Materialeinsatzes und -verbrauchs
sowie der kleinen Nutzfläche, die zwei Labore ersetzt.
Weiterer
Forschungsbedarf besteht hinsichtlich der Frage, ob Mundschleimhaut,
Speiseröhre und Haut als erste Kontaktstellen mit den Genotoxinen
umgehen können und ob die Leber – sollten die Genotoxine überhaupt dort
ankommen – diese Substanzen entgiften kann. „Erste Untersuchungen einer
simulierten Metabolisierung mit Leberenzymen zeigen, dass die meisten
Genotoxine von einer gesunden Leber entgiftet werden können“, so Prof.
Dr. Morlock. Zudem müssen weitere Studien durchgeführt werden, um
Verarbeitungspraktiken, Produktformulierungen und geeignete
Lagerungsbedingungen zu finden, die die Stabilität der ölhaltigen
Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika über die empfohlene
Produktlebensdauer gewährleisten.
Publikation: G.
Morlock, D. Meyer: Designed genotoxicity profiling detects genotoxic
compounds in staple food such as healthy oils, Food Chem. 408, 2023,
135253 https://doi.org/10.1016/j.foodchem.2022.135253